
„Jetzt geht’s rund“ – und zwar auf zwei Rädern und ja auf einem Rundweg durch das Innviertel. Unter diesem Motto ging im Frühjahr die erste grenzüberschreitende bayerisch –österreichische Radtour durch die Tourismus Destination s’Entdeckerviertel an den Start. Wir haben die Strecke zuvor gestestet und befunden: Absolut „entdeckenswert“.
Braunau empfängt uns mit einem grimmig tiefhängenden Himmel und taucht die alte gotische Handelsstadt Stadt am Inn mit ihren pastellfarbenen Häusern in ein leichtes Mausgrau. „Drent“ also drüben in Simbach am Inn wie „herent“ auf der österreichischen Seite, wie Bayern und Innviertler gerne sagen, sieht die Wetterprognose für diesen Tag gleich trübe aus. Aber was soll’s. Echte Entdecker lassen sich von Wind, Kälte und schon gar nicht von ein bisschen Nieselregen schrecken. Wir sind gut gerüstet. Handschuhe an und auf die Pedale. 180 Kilometer liegen in den kommenden vier Tagen vor uns. Über einige sanfte Anstiege, unzählige ausgedehnte Passagen durch Wiesen, Felder und verlassenen Waldwegen. Vorbei an Klöstern und Kirchen und vielen kulturellen Höhepunkten, Alpenpanorama inklusive. Unsere Etappen führen uns zu acht idyllisch gelegnen traumhaft schönen oberösterreichischen Seen und entlang der Flüsse Salzach, Inn und Mattig.
Wer es sportlicher mag, nimmt das Gravelbike. Wir touren genussvoll mit dem E-Bike. Denn eines ist Tourismuschef Georg Bachleitner vom Entdeckerviertel wichtig: „Die Entdeckerradtour ist etwas für Jedermann.“ Vom Sportler über den Ambitionierten bis zum Genussradler. Vor allem aber gemütlich und genussvoll soll sie sein und garniert mit kulturellen Höhenpunkten. Ganz im Sinne der Campagne „Radl’n genießen – Echtes entdecken“ in Oberösterreich, Salzburg und Bayern. Bevor wir also die Räder am Tourismusbüro in Braunau in Empfang nehmen, genießen wir den Ausblick von Österreichs höchstem Kirchturm und stärken uns in der GUGG-Lounge bei Backhändl Salat und Spargel.
Anschließend nehmen wir gut 43 Kilometer unter die Räder. Der Regen tröpfelt sanft, aber stetig herab. Wind bläst uns entgegen. Wir machen uns auf Richtung Vogelparadies Hagenauer Bucht am Anfang des Europareservats „Unterer Inn und sind ein erstes Mal sehr beeindruckt von dieser Landschaft. Wir passieren dabei die Mündung der Mattig in den Inn. „Das ist ein wunderschöner romantischer Platz bei Sonnenuntergang“ schwärmt Gabriele, die uns die nächsten Tage vorausfährt.
Weiter geht es entlang der 55 Kilometer langen Mattig über St. Peter am Markt, Helpfau- zum ersten Genießer-Stop im Braugasthof Vitzthum in Uttendorf und schließlich entspannt nach Mattighofen, wo man im Sommer herrlich am Fluss baden kann. Bei schlechtem Wetter bietet sich auch ein Abstecher in die KTM Motohall an.
Ein leichter Anstieg von 250 Höhenmetern liegt hinter uns als wir gegen späten Nachmittag schließlich Munderfing erreichen. Im Hotel Weiß werden wir die Nacht verbringen. Zuvor aber genießen einige eines der kulinarischen Highlights des Entdeckerviertels: Der Duft von frisch gebackenem Brot hängt wie eine betörende Versuchung über dem „Wirt z’Weissau“ in Loch am See. Die Innviertler sind für ihr Bier bekannt. Aber auch für ihre Liebe zum Brot und ihre Backkunst. „The fastest baker“, Lukas Höllbacher, Europas bester Bäcker Simon Sailer, der Poet unter den Bäckern Michael Zagler, Österreichs kleinste Biobäckerei von Franziska Stranzinger oder Brot Somilière Viktoria Hönegger: Sie alle machen das Innviertel zur Brot-Destination erster Klasse. Schusterlaiberl, Paschini (Brotchips) oder Knoblauchstangerl. Das älteste kulinarische Kulturgut kommt in allen Varianten auf den Tisch.
Nach einer erholsamen Nacht starten wir unsere zweite Tagesetappe in Munderfing. Am Morgen ist es noch frisch. Aber die Wetteraussichten werden mit jedem Tag besser. 60 Kilometer liegen an diesem Tag vor uns bis zum Etappenziel Holzöster wo wir am Abend im Hotel Seewirt erwartet werden. Der erste Streckenabschnitt führt uns über Wald und Wiesenwege, durch eine idyllische Landschaft ohne Autoverkehr zum Aussichtspunkt Gebertsham. Von hier hat man einen weiten Blick über den Mattsee bis hinein ins Salzburger Land. Und auch vom Friedensplatz Rödhausen sieht man weit hinein ins benachbarte Bundesland und hat eine schöne Aussicht auf den Grabensee. Von dort radeln wir gemütlich durch kleine Orte über Minihügel und durch ebene Flächen, vorbei am Zollhausmuseum, Richtung Kirchberg bei Mattighofen. Ruhe liegt über dieser facettenreichen Landschaft wie ein leichtes Tuch. Das Surren der Räder wirkt wie ein ruhiges Flüstern, das diese Stille sanft begleitet.
Ab Perwang wechseln wir auf die Panorama-Variante und machen uns auf den Weg zum Aussichtspunkt Gaisberg mit seinem Friedenskreuz und dem gewaltigen Alpenpanorama des Berchtesgadeners und Salzburger Landes. Beim „Onkel Heli“ in Kirchberg bei Mattighofen gönnen wir uns eine wohlverdiente Pause zum Beispiel bei vorzüglicher Mattigtal-Forelle und Lavendel-Schorle.
Vier große Varianten prägen die Strecke der R203 Entdeckerradtour. „Entdecker Panorama mit Ö-Steite“ (162 km), „Entdecker Seen mit Ö-Steite“ (151 km), „Entdecker Panorama mit D-Seite“ (186 km) und „Entdecker Seen mit D-Seite“ (171 km). Unsere gesamte Strecke führt uns auf Passagen des Panoramas und der Seentour grenzüberschreitend durch Oberösterreich und Bayern. Im Süden kann man zwischen Panorama- und Seen-Variante wechseln. Auf letzteren passiert man alle acht Oberösterreichischen Seen. Die Panorama-Variante ist hügeliger, besticht aber durch ihre vielen Aussichtspunkte und das großartige Alpenpanorama. Bereits am zweiten Tag erleben wir durch den Wechsel der Varianten die ganze Vielfalt der R203 Entdeckertour mit seinen einzigartigen Naturräumen. Der Einstieg in die Strecken ist selbstverständlich überall möglich. Vielerorts kann man sogar direkt vom Bahnhof aus starten. Die Tourkarte ist umfangreich beschrieben und jeder Streckenabschnitt ist mit einem QR-Code versehen, so dass man schnell auf die interaktive Karte zugreifen kann.
Unser nächstes Etappenziel ist das Ibmer Moor. Über Eggelsberg fahren wir vorbei am Ibmer See oder Heratinger See. Der See erstreckt sich am nördlichen Rand des Ibmer Moors in der Gemeinde Eggelsberg und gehört zur Oberinnviertler Seenplatte. Die Moorlandschaft ist einer der absoluten Höhepunkte der R203 Entdeckerradtour.
Als sich der Salzachgletscher vor über 12.000 Jahren aus der Region zurückzog, hinterließ er nicht nur die Moränenwelle, die die Landschaft prägen, sondern auch das Ibmer Moor und das Weidmoos in Salzburg. Zusammen bilden sie Österreichs größtes zusammenhängendes Moorgebiet.
Maria Wimmer erwartet uns bereits. Zu Fuß führt sie uns über Holzstege über den saftig feuchten Grund der fast urzeitlich anmutenden Landschaft. Die Natur- und Landschaftsvermittlerin gilt als DIE Moorführerin in Oberösterreich und lässt uns gerne an ihrem geradezu enzyklopädischen Wissen über diese Moorlandschaft teilhaben. „Selten und sensible“ sei diese Landschaft. Voller unscheinbarer Pflanzen und Tiere, von denen viele auf der Roten Liste bedrohter Arten stehen. Das Ibmer Moor ist als Vogel und Pflanzenschutzgebiet ausgewiesen und das bedeutendste Wiesenbrüter-Gebiet in Oberösterreich. Wir lauschen den Vogelstimmen: Großer Brachvogel, dem „Meckern“ der Bekassine, Kiebitz oder Schwarzkelchen. Auch Weidmoos oder Pfeiferanger findet man. Nach unserem Abstecher in die mystische Welt des Ibmer Moores wechseln wir zurück auf die Seen-Variante und fahren gemütlich zurück nach Ibm und weiter über Dorfibm und Franking nach Holzöster. Als wir am Abend im Hotel Seewirt einchecken, haben wir 58 Kilometer und gut 620 Höhenmeter bergauf und ab in den Waden. Die Anstrengung wird fürstlich belohnt mit einem exzellenten Abendmenü im Hotel Seewirt. Ein echter Geheimtipp!
Die dritte Tagestour von gut 56 Kilometer führt uns über die Grenze nach Bayern. Bevor wir aber entlang der Salzach bis Ettenau fahren, besichtigen wir noch die Doppelkirche in Haidermoos und fahren einen kurzen Abstecher zum idyllisch gelegenen Höllerer See.
Bei Ettenau wechseln wir auf die Bayern-Variante und radeln bis Tittmoning mit seiner hübschen Altstadt. In der Dorfwirtschaft Asten kehren wir zum Mittag ein und genießen das inzwischen herrliche Wetter und die ausgezeichnete Küche. Umgeben von vielen weiteren Radfahrern, die von dem gut 700 Kilometer langen und weitläufig verzweigten Radwegenetz des Entdeckerviertels hier ihre Rast machen. Gut gestärkt nehmen wir die letzten Kilometer unter die Räder. Vorbei an der Burg Tottmoning aus dem 13. Jahrhundert und dem Leitgeringer See führt der Weg zum Kloster Raitenhaslach, wo wir zwischen Kunst und Spirituellem eine kurze Pause im Klostergarten einlegen.
Der letzte Streckenabschnitt an diesem Tag führt uns an der Salzach entlang in die Bayerische Jazz-Hauptstadt Burghausen mit ihrer bekannte „Street of Fame“ des Jazz. „Auch hier kann man immer mal die Seite wechseln“, sagt Tourismuschef Bachleitner. Wie die Innviertler sagen würden also „drent oder herent fahren“. Über den malerischen Altstadthäusern thront die längste Burg der Welt. 1051 Meter misst die Anlage mit sechs Burghöfen. Die geschichtsträchtig Wehranlage wurde nie angegriffen und auch nie erobert. Noch heute wohnen gut 200 Personen auf dem Areal. 90 Minuten lang führt uns Sandra Heikenwälder im milden Licht der Abendsonne durch das denkmalgeschützte Essemble, dessen Anfänge bis ins achte Jahrhundert reichen. Genussvoll klingt der Abend schließlich im Burgcafé aus, bei Brot und Wein kulinarisch kunstvoll vereint.
Am Morgen wachen wir „herent“ auf, mit dem überwältigenden Blick auf die Burg. Wir sind kurz wieder in Österreich im Hotel Burgblick. Der letzte Tag der R203 Entdeckertour bringt noch einmal einige wenige Höhenmeter mit sich. 180 genauer gesagt auf 38 Kilometern. Ein radlerischer Spaziergang also. Nach der gut bewachten Brücke über die Salzach führt die Strecke auf der bayerischen Seite von Burghausen entlang der Salzach bis zur Mündung in den milchig grün leuchtenden Inn am landschaftlich reizvollen Salzach-Inn-Delta. Fein zerriebenes Gestein gibt dem Gebirgsfluss seine einzigartige Farbe. Einheimische nennen den Fluss aus den Bergen auch „Gletschermilch“. Die letzten Kilometer führen am Inn entlang über den Damm Richtung Waldsee und schließlich in die bayerische Eisenbahnstadt Simbach am Inn. 1883 bis 1897 schrieb sie Eisenbahngeschichte. Der luxuriöse Orientexpress passierte auf seinem Weg zwischen München und Wien die kleine Stadt am Inn. Die Strecke Mühldorf bis Simbach war die kürzeste Verbindung zwischen den beiden großen Städten. Eine historische Lokomotive vor dem Bahnhof erinnert noch immer an Simbachs Eisenbahntradition.
Für uns sind es nur noch einpaar Radumdrehungen über die Staatsbrücke nach Braunau. Hier wo die abwechslungsreiche R203 begann endet unsere Entdeckertour. Mit einem kleinen Zwicken in den Waden und jede Menge Eindrücke und viel Wissen im Kopf treten wir die Heimreise an, bei herrlichem Wetter und der Lust wiederzukommen. Bald! „Drent oder herent“ ganz nach Gusto aber sicher auf zwei Rädern.
Gut zu wissen
Entdecker Radtour „drent und herent“: Offizieller Start für die von der EU finanzierte neue R203Entdeckerradtour war der 25. Mai 2025.
Die neue Radtour in der einzige grenzüberschreitenden Tourismus-Destination Österreich- Bayern ist wahrhaftig eine „Entdecker-Radtour“. In 20 Orten und Städten hat das Tourismusmarketing ganze 70 Aussichtspunkte, Museen, Parks, Wege, Gedenkstätten und Naturschauspiele ausfindig gemacht und in einem Dossier für Gäste als entdeckenswert zusammengefasst.
Hier ein kleiner Ausschnitt daraus:
- Braunau a. Inn: Stadterlebnisweg, St. Stephan mit seinem gewaltigen Kirchturm, Brüchenpark, Motorik und Jägerstätterpark
- Simbach a. Inn: Aenus-Skulptur, Dampflok am Bahnhof, Aussichtsplattform am Schellenberg
- St. Peter am Hart: Vogelparadies Hagenauer Bucht
- Burghausen: Weltlängste Burg, Altstadt, Kloster Raitenhaslach, „Street of Fame“ , eine Homage an weltbekannte Jazzgrößen, die regelmäßig beim Burghausener Jazz-Festival gastieren
- Mattighofen: KTM-Motohall, Flussbad Mattighofen, Waldlehrpfad Hofau
- Munderfing: Windpark, Via Nova Pilgerrastplatz, Flößerstrand
- Kirchberg bei Mattighofen: Friedenskreuz am Gaisberg mit Alpenpanorama, Hildegard Naturhaus
- Eggelsberg: Ibmer Moor mit Lehrpfad, Ibmer See, Aussichtspunkt Pippannsberg
- Franking: Holzöstersee, Bienenlehrpfad, Moorlehrpfad, Kino- und Fernsehmuseum
- Lamprechtshausen: Vogelparadies Weidmoos, Stille Nacht Museum
- Perwang: Zollhausmuseum
- Haigermoos: Doppelkirche, Aussichtspunkt Hubertuskapelle
- St. Pantaleon: Stiegl-Gut Wildshut, Panoramablick Piracher Höhe, Biohof Göschl
- Hochburg Ach: Salzachdurchbruch, Inn-Salzach-Blick, Franz-Xaver-Gruber-Gedächtnishaus
Tourstart: kann überall an den Strecken sein. Auch mit dem ÖPNV gut zu erreichen.
Erholsam Schlafen
- Hotel Weiß in Munderfing www.gasthof-weiss.at
- Hotel Seewir in Holzöster www.derseewirt.at ein echter Geheimtipp
- Hotel Burgblick in Hochburg Ach mit dem schönsten Blick auf die weltlängste Burg in Burghausen www.altstadthotels.net
Gut Essen
- GUGG Lounge in Braunau
- Bierverkostung im Braugasthof Vitzhum in Uttendorf
- In Lochen am See empfiehlt sich das „Wirt z’Weissau mit selbstgemachtem Brot
- Gute Küche findet man auch im „Onkel Heli“ in Kirchberg bei Mattighofen
- Hervorragend ist die Küche in der „Dorfwirtschaft Asten“ in Tittmoning auf der Bayerischen Seite
- Auf dem Areal der Burg verwöhnt Maximilian Stadler seine Gäste im Burgcafé Burghausen
Tourkarten beim Tourismusverband s’Entdeckerviertel in Braunau am Inn und kostenlos und interaktiv mit weiteren ausführlichen Informationen unter: www.entdeckerradtour.at
Über den Autor*Innen

Flora Jädicke
Flora Jädicke ist aufgewachsen im Ruhrgebiet unweit der niederländischen Grenze. Dort studierte sie Germanistik und Philosophie. Ihre ersten journalistischen Gehversuche machte sie bei der WAZ im Ruhrpott, später bei N24 in der Parlamentsredaktion in Berlin. In Berlin erlebte sie hautnah die Grenzöffnung. Nach zehn Jahren zog es sie von Berlin in die bayerische Provinz und von dort hinaus in die Welt. Dort fühlt sie sich zuhause. Den Journalismus lernte sie bei der - damals - Zeitenspiegel Reportage Schule Günter Dahl in Reutlingen und in den Redaktionen von Tageszeitungen.