Den Lago Trasimeno mit dem Fahrrad entdeckt

Den Lago Trasimeno mit dem Fahrrad entdeckt - Vogelschutz, Fischfang, Kultur und Kulinarik im westlichen Umbrien - (c) Jörg Bornmann

Der Lago Trasimeno, der Trasimenische See oder auch Trasimener See in Umbrien ist der viertgrößte See Italiens und gleichzeitig der größte See der Apeninhalbinsel. Er befindet sich in der umbrischen Provinz Perugia und ist gerade für Fahrradurlauber ein ideales Urlaubsziel. Ob man mit dem Fahrrad die Natur entdecken, einen der zahlreichen Fischer am Süd- und Ostufer des Sees besuchen möchte, ob man die historischen Ortschaften anschauen oder sich lieber kulinarisch verwöhnen lässt, der Lago Trasimeno bietet eine Vielzahl von Ausflugszielen und Fahrradtouren. Eine komplette Seeumrundung ist auch nahezu vollständig auf Fahrradrouten möglich. Die dann etwa 70 km kann man in einem Tag oder, falls man den ein oder anderen Stopp mehr einplant, auf zwei Etappen fahren. Am besten man bringt genügend Zeit mit und nutzt alle Möglichkeiten die Region richtig kennenzulernen.

Der Lago Trasimeno wird nur von kleinen Wasserläufen gespeist. Oft trocknen diese im Sommer aus. Auch hat der See keinen natürlichen Abfluss, was über Jahrhunderte große Probleme mit sich brachte. Zum einen gab es die ständige Gefahr von Überschwemmungen und das Gebiet rund um den See mit seinen Schilfgebieten war lange Jahre Malariagebiet. Erst im Jahr 1898 legte man einen Abflusskanal zur Caina und damit zum Tiber an und wurde Herr dieser Probleme.

Vogelbeobachtung, ornithologische Forschung und Schutz der gefiederten Reisenden
Der erste Stopp bei unserer Fahrradtour um den Lago Trasimeno ist die Naturoase ‚La Valle‘. 1996 gegründet stehen pädagogische und touristische Aktivitäten, sowie die wissenschaftliche Beringung von Vögeln im Mittelpunkt der Aufgaben der Genossenschaft ‚L’Alzavola‘, die die Station mit dem Besucherzentrum unterhält. Die im Regionalpark des Lago Trasimeno gelegene Einrichtung befindet sich in San Savino di Magione, am südöstlichen Ufer des Sees, dem Gebiet, in dem das außergewöhnliche Schilfdickicht am stärksten ausgeprägt ist. Hier lässt sich ein großer Artenreichtum beobachten. Die Gegend wird von Hunderten von Zugvogelarten durchquert, die hier nisten, überwintern oder einfach nur eine Fettreserve für ihre lange Reise anlegen. So kann man zu jeder Jahreszeit interessante Möglichkeiten zur Vogelbeobachtung wahrnehmen.

Wir erreichen die Naturoase ‚La Valle‘ am Vormittag gegen 9 Uhr. Noch ist es neblig und die Stimmung ist jetzt im Oktober ganz besonders. Trotz des Nebels, der nach und nach weniger wird, können wir zahlreiche Vogelarten erahnen und schließlich auch erkennen. Ein einmaliges Schauspiel eröffnet sich uns beim Birdwatching. Chiara, unsere italienische Naturführerin, zeigt uns die Vögel und erklärt uns welche hier nur im Winter zu Gast sind, sich erholen und bald weiterreisen oder ganzjährig den Lago Trasimeno als ihr Zuhause auserkoren haben. Wir können uns gar nicht sattsehen und die Fotoapparate und Handys schießen Foto um Foto. Doch steht uns noch ein Highlight bevor, wir dürfen Mario bei der Beringung einiger Singvögel, wie der Heckenbraunelle, zuschauen. Um das Zugverhalten, die Größe von Populationen und die Verbreitung gewisser Arten zu erforschen und zu dokumentieren ist die Beringung nach wie vor die beste Möglichkeit. Die Vögel werden gefangen, vermessen, gewogen und in Augenschein genommen, dabei sollten keine Krankheiten oder Verletzungen zu erkennen sein. Danach werden sie beringt und wieder frei gelassen. Alle diese Daten werden erfasst und man kann bei einem erneuten Fang des Vogels nachvollziehen woher er kommt, ob er gewachsen ist etc.. Eine niemals endende Geduldsarbeit, die ein komplettes Bild über das Leben der Vögel zeichnet.

Zu Besuch bei der Fischereigenossenschaft von San Feliciano
Weiter geht unsere Fahrradtour um den Lago Trasimeno zur Fischereigenossenschaft ‚Cooperative Pescatori‘ in San Feliciano. Die Genossenschaft hat sich dem nachhaltigen Fischfang verschrieben und baut für die Fischer mit dem Pescaturismo, dem Fischereitourismus, ein zweites Standbein auf. ‚Fischer für einen Tag‘ heißt es für interessierte Urlauber. Sie fahren mit dem Fischer in der Morgendämmerung in den typischen Fischerbooten auf den See hinaus und erleben hier, gemeinsam mit dem Fischer die Netze auszuwerfen, später wieder einzuholen und den Fang schließlich zur Fischverarbeitung der Genossenschaft zu bringen.

Einen Tag können wir uns dafür nicht nehmen, aber wir stellen unsere Fahrräder am Hafen ab und fahren mit Mauricio, einem der Fischer auf den See hinaus. Mauricio zeigt erzählt uns von seiner Liebe zum Lago Trasimeno. Er kann sich nicht vorstellen etwas anderes zu tun und woanders zu leben. „Auch wenn der Beruf des Fischers nicht einfach ist und auch Gefahren mit sich bringt, ich liebe es mit dem Boot auf den See zu fahren, die Netze auszuwerfen und danach zu sehen, was wir gefangen und verdient habe“, erzählt uns Mauricio. „Seit Gründung der Genossenschaft ist das regelmäßige Einkommen auch sicherer geworden und mit dem Aufbau des Pescaturismo sichern wir uns und unsere Familien weiter ab.“ Heute ist der See ruhig und glatt wie ein Kinderpopo und es stellt sich so etwas wie Fischereiromantik bei uns ein, aber man darf die Kraft des Lago Trasimeno nicht unterschätzen. Wild und unberechenbar ist er bei schlechtem Wetter und jedes Jahr kommen Fischer im See ums Leben. Drücken wir Mauricio und seinen Freunden die Daumen, dass sie in kommenden Jahren mit dem Pescaturismo eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen und bei gefährlichen Wetterverhältnissen nicht mehr auf den See fahren müssen. Mauricio bringt uns zurück zum Hafen und zeigt uns noch die Produktionsräume der Genossenschaft, wo der frische Fang direkt weiterverarbeitet wird. Gemeinsam stark, das wird in dieser Genossenschaft gelebt.

Auf geht’s zum Pranzo, dem Mittagessen
Nach so vielen körperlichen Aktivitäten haben wir uns ein Mittagessen verdient. Rund um den See gibt es viele, oft unscheinbare Restaurants. Wir fragen die Mittarbeiter der Genossenschaft und erhalten als Empfehlung das ‚Volante Inn‘ in ‚Tuoro sul Trasimeno‘, wie sich herausstellen soll, ein absoluter Geheimtipp. Als wir ankommen trauen wir unseren Augen nicht, gleicht das Restaurant doch eher einem Fernfahrertreff. Hier sitzen Handwerker, Fernfahrer, Handlungsreisende neben Rechtsanwälten, Lehrern und Ärzten und alle eint eins, der kulinarische Genuss. Italien meine Liebe, wo kann man dich ehrlicher und direkter erleben wie in einem solchen Restaurant?

Hier schwingt Küchenchef Baffo den Kochlöffel und bereitet uns neben einem wunderbaren Vorspeisenteller mit Fischen und Schalentieren aus dem See, vorzüglichen Pasta und Gnocchi, den berühmten Königskarpfen des Lago Trasimeno, der Carpa regina. Noch einen guten regionalen Wein dazu und wir sind glückselig. Das einzige Problem, wie motivieren wir uns nach dem tollen Essen wieder auf die Fahrräder zu steigen?

Hannibal ruft
Doch Tuoro sul Trasimeno ist nicht nur wegen der guten Küche von Küchenchef Baffo berühmt. Viele Jahrhunderte früher erlangte es durch die Schlacht im Jahre 217 v. Chr. eine historische Bedeutung. Tuoro sul Trasimeno ist mit der berühmten "Schlacht von Trasimeno" verbunden, in der das karthagische Heer unter der Führung von General Hannibal Barca das römische Heer vernichtete. Das heutige Dorf entstand im 14. Jahrhundert und musste, wegen seiner strategischen Lage, viele Kriege und Kämpfe an der Grenze zwischen Perugia und der Toskana erleben.

Wir schwingen uns wieder auf die Fahrradsättel und genießen die restlichen ca. 14 km unserer Fahrradtour am Ufer des Lago Trasimeno. Der Radweg verläuft jetzt inmitten der Natur immer am Ufer des Lago entlang und ist höchstens durch den Schilfgürtel vom Wasser getrennt. Immer wieder werden wir durch malerische Aussichten auf den See überrascht und so erreichen wir nach einigen Fotostopps unser letztes Ziel für den heutigen Tag, Castiglione del Lago. Die Via Vittorio Emanuele quert den Ort und lädt zum Bummeln ein. Wir schauen uns den Palazzo della Corgna mit seinen schönen Fresken an und schlendern danach langsam bei untergehender Sonne zum Ristorante L’Acquario. Hier erwarten uns Gerichte aus saisonalen, regionalen Produkten. Saisonales Gemüse, Trüffel, Fische aus dem See und Wildschwein aus den nahen Wäldern. Hier im grünen Herzen Italiens, am Lago Trasimeno in Umbrien, treffen sich auch in der Küche Berge, Wälder und der See.

Weitere Informationen und Kontakte
Naturoase ‚La Valle‘
Fischereigenossenschaft ‚Cooperative Pescatori‘
Ristorante Volante Inn in Tuoro sul Trasimeno‘
Ristorante L’Acquario in Castiglione del Lago
Vorschläge für Fahrradtouren am Lago Trasimeno
Tourismus in Umbrien

Über den Autor*Innen

Jörg Bornmann

Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.