Mit dem Fahrrad übers Meer

Mit dem Fahrrad übers Meer - Mobiles Inselhüpfen in Süd-Dalmatien - (c) Lutz Bäucker

Für Veganer, Langschläfer und Flachlandtiroler ist das nichts, Fleischfresser, Frühaufsteher und Bergflöhe dagegen haben richtig Spaß- beim Inselhüpfen mit Rad und Schiff in Süddalmatien. Wobei das Radl den Rückenwind schon eingebaut haben sollte: auf den Inseln Solta,Brac,Vis,Korcula und Hvar ragen nämlich Berge mit derart langen Anstiegen und schweißtreibenden Wänden vom Meer ins Himmelblau, daß man als „Bio-Biker“ entweder extrem gut trainiert und hitzefest sein sollte oder die eigene Nachlässigkeit bereut, sich nicht umfassend über die Topographie des Urlaubsziels informiert zu haben.

Ich schiebe mir also ein fabrikneues solides Pedelec aus ungarischer(!)Produktion unter den Hintern und trete im Hafen der Insel Solta unweit des populären kroatischen Touristen-Hotspots Trogir in die Pedale. Wie immer beim Inselhüpfen geht’s sofort steil bergauf- von null auf hundert gewissermaßen.7,5 Prozent Steigung. Der Bosch-Motor surrt gequält, arbeitet aber zügig und zuverlässig. Die Sträßchen sind in sehr gutem Zustand (EU-Zuschüsse!) und meistens kaum befahren. Links und rechts blühen Ginster, Mohn und Lavendel, der Duft berauscht die Sinne, von Ferne rauscht das Meer. Zikaden zirpen, Vögel zwitschern, die dalmatinische Sonne ist stark und heiß. Wir sind in der Gruppe unterwegs, mit dem „BR-Radlfrühling“, organisiert vom Spezialisten „Riva-Tours“ aus München. Der schickt seit gut 20 Jahren Dutzende von Motorseglern durch die Adria. An Bord bis zu 35 Gäste, ihre Fahrräder und eine rustikal zu nennende Küche. Matrosen und Tour-Guides brauchen starke Muskeln, das Be- und Entladen der Räder ist anstrengend. Helfer willkommen.

Die kleinen Schiffe machen vormittags in pittoresken Häfen fest, von denen aus die Touren bis auf eine Höhe von 800 Metern (auf Brac!) führen. Für Muskelfahrer eine Grenz-Erfahrung, für E-Biker eine fahr-taktische Herausforderung. Welchen Anstieg schaffe ich noch mit Stufe „Eco“, wie oft darf ich auf „Tour, Sport oder gar Turbo“ drücken? Man muss ökonomisch fahren, mit einem 400-Watt-Akku wird’s bei den vielen Steigungen auf der 57 km langen Tagesetappe eng. Der Veranstalter schickt zwar einen exzellenten Mechaniker mit, alles kann der im Nirgendwo der blühenden Macchia aber auch nicht immer richten. An Wasser und Verpflegung, Sonnenschutz und Wechselklamotten muss jeder sowieso selbst denken.

Jeden Tag ist ein anderer Hafen das Ziel, mit einladenden Cafes und Tavernen („Konoba“ auf Kroatisch) und natürlich der heißen Dusche in der eigenen zweckmäßigen Schiffskabine! So kommt man schön herum in einer Woche, sieht unterschiedlichste Landschaften und Städtchen, ohne dauernd Koffer packen zu müssen. Das mobile Inselhüpfen ist eine angenehme Form des Aktiv-Urlaubs.

Ich bin von Stomorska (Yachtie-Spot auf Solta) rüber nach Brac geschippert, mit dem höchsten Berg des Archipels und dem berühmtesten Badestrand Kroatiens, “zlatni rat“ bei Bol. Das “Goldene Horn“ besteht aus feinstem Sand, dementsprechend teuer und überlaufen ist der Hafen. Die „In-People“ aus der Großstadt Split kommen mit der Schnellfähre vom Festland herüber, im Hafen liegen massenweise chice Yachten. Das Gläschen (0,1 l) Malvasier-Inselwein kostet von 6,50 € aufwärts. Hohe Preise werden auch in Korcula verlangt, das gerade von US-Touristen und Japanern „entdeckt“ wird. Das mauern- und turmbewehrte Städtchen wird als „Mini-Dubrovnik“ vermarktet, entsprechend groß ist das Gedränge in den engen Gässchen. Generell hat die Einführung des Euro am 1.1.2023 dem Preisniveau in Kroatien nicht gutgetan: vieles ist viel teurer geworden. Nur der Liter Diesel ist mit staatlich festgesetzten 1,24 € europaweit unschlagbar günstig.

Deutlich günstiger als auf den „In-Inseln“ Hvar und Korcula ist es auf Vis, der Insel weit draußen im Meer. Früher Militärsperrgebiet, heute Ziel für junge Taucher, Kanuten und Lebenskünstler. Im verschlafenen Hafen von Komiza schaltet man automatisch ein paar Gänge herunter und verdöst die Mittagshitze gern im Schatten der Tamarisken am kleinen Kieselstrand. Auf Hvar sind wir vom ruhigen Sucuraj durch den einsamen Inselosten geradelt, durch duftende Pinien- und Zypressenhaine, auf einer wellenförmig verlaufenden Straße, die den Akkus ganz schön den Saft entzieht! Die Blicke links und rechts hinunter zum türkisblauen Meer und hinüber zu den anderen Inseln sind atemberaubend und streicheln die Seele. Mitten in der Pampa, in einem Sammelsurium aus Olivenöl-Tanks, landwirtschaftlichen Geräten, Pokalen und Urkunden erwartet uns Ivo Lucic. Eine jugoslawische Schlagerlegende, 1971 Gewinner der „Goldenen Lyra“ von Sarajewo. Der heute 75jährige „Kompozitor“ verkauft Ölivenöl frisch vom Baum.

Inselhüpfen mit Fahrrad und Motorsegler ist etwas für Frühaufsteher. Wummernder Schiffsdiesel oder dröhnende Kirchenglocken wecken die Kreuzfahrer im Morgengrauen. Und für „Fleischfresser“: die „Balkanplatte“ des Schiffskochs löst den größten Jubel der energiehungrigen Radtouristen aus. Von wegen vegan ist Trend… Cevapici is favourite!

Man sollte einigermaßen trainiert sein für diese Art des aktiven Urlaubs, in dem man ein wunderschönes Land auf besonders abwechslungsreiche und intensive Weise er-fährt.  Beste Monate: Mai und Oktober. Anbieter „Riva-Tours“ bietet unterschiedliche Schiffe verschiedener Preisklassen an- vom rustikalen Holzschiff bis zur Luxusyacht. Es empfiehlt sich, gleich ein Pedelec mit zu buchen (ca.150 Euro pro Woche). Die Fahrräder des Veranstalters sind robust und werden regelmäßig gegen neue ausgetauscht. Fahrradhelm sollte man mitbringen.

Ausgangshafen ist Trogir bei Split, erreichbar durch zahlreiche Flugverbindungen ab deutschen Städten oder per Auto (865 Km ab München) nach tagelanger Fahrt mit erheblichen Mautkosten.

Infos unter www.brreisen.de  und www.idriva.de

Über den Autor*Innen

Lutz Bäuker

Lutz Baeucker

Lutz Bäucker ist gern unterwegs. Am liebsten auf dem Fahrrad und zu Fuß. Wahrscheinlich ist sein Beruf schuld daran: fast 35 Jahre als rasender bzw. radelnder Reporter für den BR und den ARD-Hörfunk - das prägt. Lutz gehörte 1990 zu den "Gründungsvätern der kultigen "BR Radltour", noch heute ist er mit Hörern und Zuschauern der Anstalt auf BR-Rad-Reisen on tour. Da der Wahl-Münchner und Wahl-Allgäuer nach wie vor neugierig ist und sich auf alles Neue entlang seiner   Touren freut, bringt er fast immer schöne Geschichten für alle "Radlfreaks" mit.