Frauenpower downhill am Reschenpass

Frauenpower downhill am Reschenpass - das Women’s Bike Camp am Reschenpass ist eine Traditionsveranstaltung - (c) Anne Kaiser

„Ich habe jetzt eine ganz andere Position auf dem Bike und dadurch mehr Sicherheit, auch bei ganz schwierigen Passagen, die ich alleine nie gefahren wäre. Es ist toll, dass man solche Passagen gemeinsam gemeistert hat“, schwärmt Ines Riebesch nach vier Tagen im Women’s Bike Camp am Reschenpass.  Dass sie in einem Rad-Camp nur für Frauen gelandet ist, sei eher Zufall gewesen. Dass sie sich eine Wiederholung vorstellen kann: keine Frage. „Die Stimmung war super, das Terrain sehr anspruchsvoll, besonders für die Anfänger unter den Camp-Teilnehmerinnen war es sehr knackig, aber alle haben unheimlich viel gelernt und jetzt weiß ich auch, was ich zu Hause noch üben kann“, lautet ihr Fazit.

Das Women’s Bike Camp am Reschenpass ist dort mittlerweile schon eine Traditionsveranstaltung und ging Mitte Juni in die fünfte Auflage. „Dass wir am Reschensee in Reschen gelandet sind, liegt daran, dass ich Reini vom Hotel Edelweiß kennengelernt habe. Der führt sein Bike-Hotel mit Herz und Seele“, erinnert sich Monika Fiedler-Proksch, Gründerin von fiedler concepts, die sich auf Sportveranstaltungen für Frauen spezialisiert hat an die Gründe für die Ortswahl. Und erzählt, das familiengeführte Bike-Hotel und die Region rund um den Reschenpass hätten es ihr so angetan, „dass ich gedacht habe, wir müssen es irgendwie schaffen, dass die Biker nicht mehr nach Laatsch durchfahren, sondern den Reschensee und die umgebenden Berge entdecken“. Und zu entdecken, gibt es einiges, was nicht nur die Herzen weiblicher, Downhill- und Enduro-Fans höher schlagen lässt in der Region im italienisch-österreichisch-schweizerischen Dreiländereck, das sich unter dem Namen 3-Länder-Enduro-Trails gemeinsam vermarktet. „Wir haben hier 25 Trails unterschiedlicher Niveaus, mit einer Gesamtlänge von 60 Kilometern“, beschreibt Gerald Burger, Geschäftsführer der Ferienregion Reschenpass die Gegend rund um Reschen und Nauders, deren Charakteristik anspruchsvolle Naturtrails sind und fügt hinzu: „Unser Vorteil sind zwei Bergbahnen auf Südtiroler (Italien) und zwei auf Nordtiroler (Österreich) Seite. Das ermöglicht eine 360 Grad Runde mit dem Bike. Wir haben so viele Trails, die schafft fast keiner an einem Tag.“ In jüngster Zeit setzt die Region auch zunehmend auf Einsteiger und weniger Geübte. Mitte Juni wurde der erste Teil eines Flow-Trails fertiggestellt, der an der Bergstation der Schöneben Bahn startet. 2,5 Kilometer führt er über Wiesen und durch Fichten und Lärchenwald Richtung Tal. Wurzel und steinfrei, in Serpentinen mit überhöhten Kurven. In den nächsten Jahren soll er auf etwas über 5 Kilometer bis zur Talstation in italienischen Reschen erweitert werden. Sein Naturtrail-Pendant auf österreichischer Seite ist der Zirmtrail, von Nauders aus per Gondelbahn und Sessellift erreichbar.

Mit der Seilbahn hoch, mit dem Mountainbike runter zur Talstation. Die richtige Technik und etwas Übung machens möglich, auch in anspruchsvollem Gelände wie dem der 3-Länder-Enduro Trials. Im Women’s Bike Camp feilten zuletzt rund 60 Frauen in vier Leistungsniveaus an ihrer Fahrtechnik. Jeweils begleitet von Guides, die auf den Trails Haltung und Fahrtechnik korrigierten und auf dem Parkplatz und im Übungsparcours Basics vermittelten. „Sattel ganz nach unten, aufstehen, Füße auf gleicher Höhe auf die Pedale, Knie auseinander, die Ellenbogen angewinkelt nach außen und den Oberkörper nach vorne beugen“, erklärt Felix Thöni, der seit sieben Jahren als Guide und Trainer in der Region unterwegs ist, in der Anfängergruppe die Grundhaltung fürs Bergabfahren. „Ich bin 55 und habe erst mit 51 angefangen MTB zu fahren“, erzählt Elke Strenge, die sich nach einem kurzen Intermezzo in einer höheren Gruppe, bewusst selbst in die Anfängergruppe zurückgestuft hat: „Mir macht es wahnsinnig Spaß, aber in dieser Gegend komme ich schon an meine Grenzen, da fehlt mir noch etwas die Fahrtechnik. Die steinigen Passagen habe ich zwar runter geschafft, aber ich will ja auch Spaß haben. Fahrtechniktraining bringt mir da unheimlich viel. Es sind manchmal schon die kleinen Tricks, die ganz viel bringen“, erzählt sie und nennt als Beispiel die Fahrt durch die Kurve. „Da denkt man am Anfang immer, man muss aufs Vorderrad schauen und darauf achten, wo das hinfährt, und genauso ist es komplett falsch. Man muss wirklich ganz weit in die Kurve reinschauen, dorthin wo man hinfahren will und dann fährt das Rad da ganz von alleine hin. Also man muss gar nicht lenken.“ Und nicht nur für Einsteigerinnen ins Downhill-Vergnügen bringen die Tage im Women’s Bike Camp neue Erkenntnisse, wer bereits Profi ist, saust die Trails in Begleitung der Guides herunter, wer schon länger downhill unterwegs ist, aber noch Luft nach oben hat, was Technik und Sicherheit auf dem Bike angeht, nutzt die Gelegenheit zur Verbesserung der eigenen Fähigkeiten. „Ich habe mich ganz bewusst auch noch einmal Grundlagen geübt, erzählt Anja Wissen, die bereits seit eineinhalb Jahren den Spaß am Bergabsausen entdeckt hat und fügt hinzu: „Wenn es nur steil ist oder nur steinig und ein bisschen wurzelig, dann ist es o.k., aber wenn das halt alles zusammenkommt, dann gerate ich schon an meine Grenzen, darum wollte ich noch einmal an den Basics feilen“. Nach vier Tagen Women’s Bike Camp lautet ihr Urteil: „Am meisten gebracht, hat das bewusst sehr langsame Fahren und das Gleichgewichthalten. Und ich fand toll, wie schnell man sich das wirklich verbessert. Das ist eine wichtige Übung, die man zu Haus wahrscheinlich viel zu selten macht.“

So viel Begeisterung lässt auch das Herz von Ferienregion-Reschenpass Geschäftsführer Burger, der regelmäßig auf der Expo des Bike Camps vorbeischaut und auch beim gemeinsamen Tiroler Abend auf der Schöneben Hütte mit von der Partie ist, höherschlagen. „Der Spaß kommt beim Women’s Bike Camp garantiert nicht zu kurz“, ist er überzeugt und sieht darin auch einen Werbevorteil für die Region. „Wenn rund 60 fröhliche Frauen in die Region kommen und anschließend den Namen Reschenpass nach Hause tragen, ist das für uns als Tourismusdestination super“, freut er sich über das jährlich stattfindende Women’s Bike Camp. Die Auflage 2022 am Reschenpass ist bereits in Planung. Damit die Zeit bis dahin nicht zu lange wird, weist Monika Fiedler-Proksch noch das Women’s Bike Camp in Winterberg im Sauerland hin. „Das ist ganz anders als der Reschenpass mit seinen Naturtrails. In Winterberg gehen wir in den Bikepark, mit Fullfface-Helm und viel Spaß an Geschwindigkeit“. Was es dort genauso gibt wie am Reschenpass, ist die das Expo-Gelände. Während der gesamten Bike-Camp-Dauer kann dort vom Bike, über Schuhe, Helme und Bekleidung und weitere Utensilien, die Bikerherzen – respektive Bikerinnenherzen - höher schlagen lassen, ausgeliehen und auf Herz und Nieren getestet werden.

https://www.vinschgau.net/de/reschenpass.html
https://www.womensbikecamp.com/
https://www.edelweiss-reschen.it/de/edelweiss/willkommen/

Über den Autor*Innen

Maren Recken

Maren Recken ist als freie Journalistin mit Videokamera, Fotoapparat und Notizblock unterwegs. Häufig in Italien, am liebsten im Gespräch mit den Menschen vor Ort; auf der Suche nach einer besonderen Story und einem authentischen Reiseziel. Sie veröffentlicht online und in verschiedenen Tageszeitungen, dreht Videos und erstellt Imagefilme. Während und nach ihrem Germanistikstudium hat sie mit verschiedenen privaten Radio- und Fernsehsendern zusammengearbeitet. Bei La Nazione in Florenz hat sie in der Onlineredaktion erlebt, wie Journalismus in Italien funktioniert.