Das Sonnental Vinschgau erstreckt sich in Südtirol zwischen dem Reschensee und der Kurstadt Meran entlang der Etsch. Das Tal wirbt mit 315 Sonnentagen pro Jahr und ist damit perfekt für einen Herbst- (oder Frühjahrs-) Ausflug mit dem Mountainbike. Während auf der Nordseite der Alpen und in höheren Lagen schon die Ski ausgepackt werden, locken die Berge des Vinschgaus bis weit in den November hinein noch Mountainbiker auf die Trails. Im Frühjahr beginnt die Saison schon wieder im Februar, wenn die Sonne den Schnee an den Südhängen geschmolzen hat. Ohnehin sind der Herbst und das Frühjahr die schönsten Zeiten im Vinschgau: Im Herbst leuchten die Blätter der Bäume in wunderschönem rot-orange und beim Törggelen werden Kastanien und junger Wein verkostet. Im Frühjahr stehen dagegen die Apfelbäume in voller Blüte und versprühen einen herrlichen Duft.
Vor allem die Region rund um Schlanders, Goldrain und Latsch hat sich als Mountainbike Revier etabliert und ein Angebot geschaffen, das seinesgleichen sucht. Es gibt Wege und Trails, die exklusiv Mountainbikern vorbehalten sind, während andere Wege nur von Wanderern genutzt werden dürfen. Auf den Wegen, die von beiden Parteien genutzt werden, gilt das Motto "Trail-Tolerance" und das funktioniert hier auf beiden Seiten vorbildlich. Zwischen den Ortschaften kann man bequem auf dem Etschradweg hin und her pendeln und so die verschiedenen Auffahrten zu den Trails erreichen.
Die Trails am Sonnenberg
Der Sonnenberg in Latsch macht seinem Namen das ganze Jahr alle Ehre: Der nach Süden exponierte Berg ist sonnenverwöhnt und thront mit einer Vegetation aus Wald, Kakteen, niedrigen Kiefernbüschen und trockenen Grasplateaus hoch über dem Tal. Die Trails sind meist trocken und ein Team von einheimischen Trailbauern kümmert sich darum, dass sie immer in gutem Zustand sind. Über die letzten zehn Jahre wurde das Trailnetz immer weiter ausgebaut und es kommen immer wieder neue attraktive Strecken hinzu.
Der Klassiker am Sonnenberg wurde bereits 2012 gebaut: Sunny Benny - nach einem der Trailbauer benannt - oder Monte Sole Trail ist der passende Name für den Trail. Von Kastelbell, 4 km von Latsch, führt eine wenig befahrene Straße hinauf nach St. Martin, wo der Trail beginnt. Nach etwa 950 Höhenmetern hat man den Traileinstieg erreicht und kann sich auf die abwechslungsreiche Abfahrt freuen. Weniger anstrengend erreicht man St. Martin mit der kleinen Gondel von Latsch. Die Bahn darf allerdings nur vor 09.00 Uhr und nach 15.00 Uhr von Mountainbikern genutzt werden und ist sonst Fußgängern vorbehalten. Der Sunny Benny Trail windet sich meist flowig den Sonnenberg hinab, nur einzelne technische Passagen fordern versiertes Fahrkönnen und eine sichere Bikebeherrschung. Abwechslungsreich geht es über Waldboden, Wurzeln und Steine ins Tal hinab. Spätestens auf den Annenberger Böden heißt es dann: anhalten und das Panorama genießen. Bei gutem Wetter reicht der Blick das ganze Tal entlang - vom Ortler im Westen bis zu den Ausläufern des Tals bei Meran im Osten. Nach der Pause ist noch einmal volle Konzentration gefragt: Um Begegnungen zwischen Wanderern und Mountainbikern auf einer schmalen Hängebrücke zu vermeiden, wurde vor einigen Jahren der letzte Abschnitt des Sunny Benny Trails für Mountainbiker gesperrt. Das letzte Stück muss nun über den etwas anspruchsvolleren Tschilli Trail absolviert werden, der einige Steilstücke bereit hält. Zwischen Apfelplantagen endet der Trail schließlich und man rollt auf dem Etschradweg zurück nach Latsch.
Fortgeschrittene Mountainbiker, die nach einer anspruchsvollen Freeride-Abfahrt suchen, können bereits kurz hinter St. Martin in den Tschilli Trail einsteigen. Nach dem ersten Abschnitt trennen sich Sunny Benny und Tschilli. Der Tschilli Trail ist deutlich steiler als sein “kleine Bruder” Sunny Benny und nagt mit langen Steinfeldern und anspruchsvollen Wurzelpassagen an der Kraft der Fahrer. An den Annenberger Böden kommen beide Trails wieder zusammen.
Ein weiterer beliebter Trail auf der Sonnenseite des Tals ist der Flipsi (ehemals Propain) Trail hoch über Goldrain und Schlanders. Auch hier führt eine wenig befahrene Straße hinauf zum Traileinsteig. Insgesamt 750 Höhenmeter müssen hier zurückgelegt werden, die letzten 150 Meter auf einem Forstweg. Eine Alternative per Gondel gibt es hier nicht, allerdings werden alle Trails auch von den örtlichen Shuttle-Unternehmen angefahren. Nur die 150 Höhenmeter auf dem Forstweg müssen hier immer aus eigener Kraft überwunden werden. Der Flipsi Trail wurde im Frühjahr 2015 angelegt und ist ein gutes Beispiel für die Lenkung der verschiedenen Besuchergruppen im Vinschgau. Während sich bis dahin Wanderer und Mountainbiker auf dem Wanderweg Nr. 14 in die Quere kamen, haben die Biker seither einen eigenen Trail für sich. Die Wanderer sind weiterhin auf dem Weg 14 unterwegs, der nur noch auf wenigen kurzen Abschnitten parallel zum Trail verläuft. Der Flipsi Trail ist perfekt für Liebhaber endloser Kurven. Der Trail ist flowig und windet sich über etliche Kurven hinab ins Tal. Mit der richtigen Geschwindigkeit kommt auf dem Weg ins Tal wahres Murmelbahnfeeling auf. Unterwegs lohnt es sich immer wieder, kurz anzuhalten und das Panorama über das ganze Tal zu genießen. Der Trail endet kurz vor Schlanders auf einem Wirtschaftsweg, der mitten ins Ortszentrum und von dort weiter auf den Etschradweg führt.
Der Latscher Trailzauber
Nicht auf der Sonnenseite des Tals, aber ebenfalls perfekt für die Vor- oder Nachsaison ist eine Tour auf dem sogenannten Latscher Trailzauber. Die Tour führt zwar auf der Nordseite des Tals entlang, erreicht aber nie Höhen über 900 m, so dass der Schnee auch hier lange auf sich warten lässt. Über abwechslungsreiche Wander- und Waalwege und durch weitläufige Apfelplantagen geht es zwischen Latsch, Morter und Tarsch auf und ab. Mit ca. 15 km und etwas über 400 Höhenmetern ist die Runde kurz, aber durchaus fordernd. Die Anstiege sind steil und auch die Abfahrten haben es mit verzwickten Wurzelpassagen und steinigen Abschnitten in sich. Auch die Kultur kommt unterwegs nicht zu kurz: Zwei Burgruinen liegen am Weg. Von der Burg Obermontani hat man ein tolles Panorama über das ganze Tal und endlose Kurven führen von hier hinab zur tiefer gelegenen Burg Untermontani. Zum Verbessern der Kurventechnik kann man hier auch mehrfach hinauffahren und die Tour so ganz einfach verlängern. Anders als die Trails am Sonnenberg sind die Wege des Trailzaubers ausgewiesene Wanderwege, Wanderern haben hier also Vorrang. Die Waalwege sind eine der Hauptattraktionen im Vinschgau und in der Hochsaison ist hier oft viel los. Das Biken ist mühsam, da man auf den schmalen Wegen oft Wanderer passieren lassen muss. In der Vor- und Nachsaison allerdings, wenn im Tal schon weniger los ist, hat man die Wege oft für sich alleine und kann sich in Ruhe an den Trailzauber wagen.
Und sonst?
In der Vor- und Nachsaison ist der Sonnenberg die richtige Wahl für trockene Trails und angenehme Temperaturen. Natürlich gibt es daneben im Vinschgau etliche weitere Trails, die allerdings in den Randzeiten nicht immer fahrbar sind, da sie sich entweder auf der Nordseite am Nörderberg oder in hochalpinen Regionen befinden. Der Schneefall und die Temperaturen beenden die Saison hier deutlich früher als am Sonnenberg und auch im Frühjahr sind die Trails erst später wieder schneefrei.
Weitere Informationen
Anreise: Das Vinschgau erreicht man entweder über Landeck und den Reschenpass oder von Innsbruck über den Brenner und Meran. Je nach Saison kann man das Gebiet perfekt mit weiteren Biketagen in Nauders/Reschen, Meran oder Bozen kombinieren.
Essen und Trinken: Alle Orte im Vinschgau verfügen über eine Vielzahl von Restaurants und Pizzerien. Gute Pizzen gibt es in den Latscher Stuben in Latsch oder in der Pizzeria Bruggerwirt in Goldrain. Kultig ist der Bierkeller am Waldrand von Latsch, wo es deftige Südtiroler Gerichte gibt. Etablierter Treff für den After-Tour-Spritz ist die Bar Vis-a-Vis in Goldrain gleich neben der Basis von Freeride Vinschgau, über die man Shuttleservices oder geführte Touren buchen kann. Für die Pause während der Tour finden sich unterwegs unzählige Almen und Hütten, die zur Einkehr einladen. In der Vor- und Nachsaison sollte man allerdings vorab die Öffnungszeiten und Ruhetage prüfen, um nicht hungrig und durstig vor verschlossenen Türen zu stehen.
Unterkünfte: Im ganzen Tal gibt es etliche Unterkünfte. Von Campingplätzen und Ferienwohnungen für Selbstversorger über einfache Pensionen und Familienhotels bis hin zu luxuriösen Wellnesshotels findet hier jeder das passende Angebot.
Shuttleservices und geführte Touren: Verschiedene Anbieter bieten im Tal Shuttleservices oder geführte Touren an. Größter Anbieter im Tal ist Freeride Vinschgau aus Goldrain.
Über den Autor*Innen
Christine Kroll
Mit einer Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau und anschließendem Studium der Tourismuswirtschaft hat Christine nach dem Abitur ihr Hobby Reisen zum Beruf gemacht. Seit über 20 Jahren arbeitet sie als Produktmanagerin bei verschiedenen Reiseveranstaltern. In ihrer Freizeit ist Christine am liebsten draußen. Je nach Saison findet man sie zu Fuß, mit dem Mountainbike oder auf (Touren-)Ski in den Bergen. Egal ob in den heimischen Alpen oder auf einer ihrer Reisen in Europa und der Welt, draußen aktiv zu sein gehört für Christine immer dazu.