Mit dem E-Bike durch die Auvergne

Mit dem E-Bike durch die Auvergne  - Im Inneren Frankreichs schlägt das sanfte Herz der Grande Nation - (c) Flora Jädicke

Dichte Eichenwälder, saftige Wiesen und stille Maare, eingerahmt von einer dramatischen Vulkanlandschaft. Hier gibt es hervorragenden Käse und Dörfer, wie aus einer anderen Welt. Genießer und Naturliebhaber kommen in die Auvergne – am besten mit dem Rad.

Im Inneren Frankreichs schlägt das sanfte Herz der Grande Nation. Eine friedliche Stille und geradezu poetische Einsamkeit liegt über dem buckeligen Zentralmassiv, das im Süden, im Departement Cantal an das Sancy Massiv grenzt und an das Longuedoc-Roussillon und sanft in den Ebenen des Nordens ausläuft. 

Als ich in Montpeyroux ankomme, kriecht der Tag gerade hinter den Horizont. Wie ein Schattenspiel ragt vor ihm der Puy de Dôme auf. 1465 Meter hoch. Über die Vulkankegel der Chaîne des Puys hinweg ist das Wahrzeichen der Auvergne weithin sichtbar. Mehr als 80 längst erloschene Vulkane reihen sich in der Chaîne des Puys aneinander. An ihren schroffen Flanken findet man wilde Steppen- und karge Mondlandschaft. Andere sind überzogen mit saftigen Weideflächen und dicht mit Eichen- und Buchenwälder bewachsenen. Diese Vulkane wirken wie eine, vor mehr als neun Millionen Jahren, durcheinander gepurzelten Kissenlandschaft.

Radfahrern verheißt sie brennende Waden und keuchende Lungen. „Keine Sorge“, beruhigt mich Vanessa Michy, Tourismusfrau im Departement. Bei Truffade und Steak vom Salers-Rind planen wir die  kommenden Tage. Diese Vulkanhügel können anstrengend werden. Müssen es aber nicht. Mit dem E-Bike sind sie eher eine Tour für Genießer. „Du wirst jede Höhe wie im Flug nehmen“, verspricht sie. Und um es vorweg zu nehmen: Sie sollte Recht behalten. 

Am nächsten Morgen wird es trotzdem erst einmal holprig. Mit Patrice Parlang radle ich über Wurzelwege und Sandpisten. Quer durch die raue Seite dieser aus Feuer geborenen Landschaft. Die Chaîne des Puys mit ihrem roten Sand, dem Vulkanstein und der kargen Vegetation am Puy de La Vache und des Lassolas (1183m) im Süden ist hervorragend für Mountain-Biker. Diese Vulkane sind erdgeschichtliche Jungspunde, gerade mal neun bis elf Tausend Jahre alt. Nach dem Picknick am Lac Servière, einem der stillen Maare der Chaîne des Puys, nehmen wir Kurs auf Orcicval, mit seiner markanten romanischen Basilika. Das Bergdorf liegt mitten im Naturpark der Vulkane der Auvergne, nahe Saint-Nectaire, das vor allem für seinen Käse berühmt ist. 

Am Tag darauf verlasse ich die Puy-Kette Richtung Allier. Im Montagne Bourbonnaise würde ich am liebsten meine Zelte aufschlagen. Hier auf diesen sanften Hügeln wird Gott eines Tages sein Haupt zur Ruhe legen, denke ich. Nirgendwo ist die Auvergne so friedlich, die Landschaft so sanftmütig wie am Fuße dieser dicht bewaldeten Vulkankegeln, den saft-strotzenden Weiden zwischen Bocage-Hecken und ihren scheinbar vollends entrückten Dörfern an den Ufern der Allier. Einst herrschten über sie die Bourbonen. Ein mächtiges Adelsgeschlecht, das sieben französische Könige hervorbrachte.

Wie ein Seidenschimmer hängt das Abendlicht über dem Land. Im „Sur le Chemin des Buvats“ verbringe ich die Nacht und genieße die exzellente Landküche. Auch der nächste Tag wird entspannt. Trotz der 56 Kilometer und 760 Höhenmeter, die vor uns liegen. Von Lourox-de-Bouble über Veauce und Charroux nach Ébreuil, Chouvigny und  zurück nach Louroux de Bouble. Mit Corole Debrade strample ich durch den „Forêt des Colettes und die „Gorges de la Sioule. 

Carole und ihr Mann Arnaud bieten in einer kleinen Verleihstation „Un Vélo à la compagne“ in Louroux-de Bouble, Fahrräder, E-Bikes und Rad-Touren, zwischen 14 und 56 Kilometer durch das Allier an. Teilweise mit Übernachtung. „Wir dachten diese Landschaft, die reiche Geschichte und das gute Essen ist doch etwas für Kulturtouristen“, sagt Arnaud. „Und wie könnte man all das besser erleben als mit dem Rad?“ Wenn da nur die herausfordernden Anstiege nicht wären. „Deshalb haben wir uns im Verleih für E-Bikes entschieden“, sagt Carole.

Gleich hinter dem „Forêt des Colettes“, der sich mit seinen alten Eichen und weiter oben mit Buchen bis auf 720 Metern Höhe erstreckt geht es steil bergan. Wer hier mit dem Fahrrad unterwegs ist, der ist entweder sportlich oder wie wir unter Strom auf Tour. Die höchste elektrische Unterstützung, „sportif“ lässt auch den ungeübtesten Radler gut aussehen. Und so ziehen wir an der Höhe bei Veauce grinsend an Carole vorbei. Die gebürtige Elsässerin nimmt es gelassen. „So soll es sein“, sagt sie auf Deutsch, das sie von ihrer Großmutter gelernt hat. „Es soll Spaß machen und die Waden schonen.“

Veauce ist ein verträumtes Nest. Die mächtigen Heilig Kreuz Kirche wacht über die ansonsten menschenleere Straße. Ganz gleich wie winzig das Dorf auch ist. Mindestens eine imposante romanische Kirche hat es. Und irgendwo steht auch immer ein Chateau. „An die 600 sind es“, sagt Carole und kann es selbst kaum glauben. Noch einige Kilometer bis Charroux.

Die entspannte Stimmung verdanken wir der charmanten Corole, unseren gut gefüllten Akkus und dem hervorragendem Essen. Weiße Charolaise Rinder zupfen genüsslich Gras und blinzeln uns hinterher. Gelegentlich auch die rotbraunen Milchkühe von denen es in der spärlich besiedelten Auvergne beinahe mehr gibt, als Einwohner, heißt es. Sie sind die Lieferanten für großartige Rohmilchkäse, die uns Philipp Saignie in der Ferme St. Sébastien in Charroux präsentiert. Kein Wunder, dass viele die Auvergne als eine „einzige große Käseplatte“ bezeichnen. Ein Viertel der Käseproduktion des Landes kommt von den Vulkanhügeln. 

Das Leben in Charroux war schon fast erloschen, wie die Vulkane ringsherum. Heute blüht das Dorf wieder und zählt zu den schönsten in Frankreich. Alte Traditionen wurden neu belebt. Seifensieder, Kerzengießer, der Uhrmacher mit seiner stattlichen Sammlung an Turmuhren gehen wieder ihrer Handwerkskunst nach. 

Über den Wäldern ziehen dunkle Wolken auf. Nächstes Etappenziel ist Ébreuil. Keine Sekunde später hätten wir in dem kleinen Ort, vor der monumentalen Abteikirche „Saint Léger“ eintreffen dürfen. Ein donnernder Wolkenbruch beendet unsere Tour abrupt. In den Gewölben der Abteikirche finden wir Zuflucht bis Arnaud den Servicewagen schickt. Ein Anruf genügt und verwaiste Radler werden abgeholt. Das gehört zum Service. Und so setzen wir die Fahrt entlang der Sioul bis Chouvigny mit den Rädern im Fond des Transporters fort. 

Auf der Sioul suchen Stand-up-Paddler nach Balance. Rechts violette Heide an den Hängen des Naturschutzgebiets „Les Landes de Péraclos“. Links der Blick ins Tal. Über den Fluss spannt sich ein elegantes Viadukt aus dem 19. Jahrhundert. Wie überall in Frankreich, wenn es um Stahlkonstruktionen aus jener Zeit geht, hat auch hier Gustav Eiffel zumindest Hand angelegt, wenn nicht gar selbst konstruiert. Dicke Nebelschwaden hängen jetzt in den Baumwipfeln, als schnaube der Wald wie ein friedlich schlafender Riese seinen feuchten Atem in die ersten, wiederkehrenden Sonnenstrahlen. 

Zurück in Louroux de Bouble lassen die Tour ausklingen, im winzigen Bistro „Le Groumand“, zwei Gehminuten entfernt von Arnaud und Caroles „Un Vélo à la compagne“. Beim „Après Vélo“, mit einem Ricard und ganz und gar verfallen dem Frieden dieser Landschaft. 

Gut zu wissen...
Anreise: Mit dem Auto über Paris oder Lyon oder alternativ mit der Bahn auch über Paris, oder Lyon nach Clermont-Ferrand. Dort fährt man am Besten mit einem Mietwagen weiter, um die Auvergne zu erkunden. Einfacher ist ein Flug über Paris nach Clermont Ferrrand. Air France fliegt regelmäßig zum Beispiel ab Hannover oder Düsseldorf. www.airfrance.de

Radtouren: UN VÉLO À LA CAMPAGNE bietet 40 Fahrräder an. Darunter Mountainbikes,Kinderräder und Trekkingräder. Alle Fahrräder gibt es mit und ohne elektrische Unterstützung. Außerdem kann man Taschen, Helme und andere nützliche Dinge für die Tour mieten. Zu den Touren gibt es ausführliche Karten und Beschreibungen in französischer und englischer Sprache. Man kann die Fahrräder inklusive Tour und auch im Paket mit Übernachtungen buchen oder geführt. Alle Informationen unter: www.unveloalacampagne.fr

Entspannte und sportlich ambitionierte Ausflüge mit dem E-Mountainbike in das Gelände rund um den Puy de Dôme, Puy de La Vache oder Puy des Gouttes bietet Patrice Parlange: www.altiride.com

Übernachten:
Mit herrlichem Blick auf den Puy de Dôme und über die Vulkankegel der Auvergne wohnen Gäste im Chambres d’hôte „Le Petit Volcan“ in Montpeyroux bei Michèle et Bernard Lepetit. Montpeyroux liegt zwischen Clermont Ferrrand und Issoire.  www.lepetitvolcan.fr

Klassisch französisch verbringt man die Nacht im „La Tour Richelieu“ bei Gerd und Jean Starace in Les Martres de Veyre. www.auvergne-destination.com

Gîtes de France sind immer eine gute Adresse für Feriendomizile in ländlicher Umgebung: www.gites-de-france.com 

Gastronomie: Ländliche und excellent speist man in der L’auberge de la Fontaine du berger, in Orcienes, ROUTE DE LIMOGES, 63870 ORCINES Tel. : 04 73 62 10 52 und in Charroux in der Ferme de St. Sebastian, www.fermesaintsebastien.fr 

Ausflug: Mit dem Panoramazug auf den Puy de Dôme und zum Merkurtempel: www.panoramiquedesdomes.fr

Weitere Informationen: Tourismusbüro für die Auvergne www.auvergne-tourismus.de
Französische Zentrale für Tourismus, Atout France: www.france.frwww.atout-france.fr

Über den Autor*Innen

Flora Jädicke

Flora Jädicke

Flora Jädicke ist aufgewachsen im Ruhrgebiet unweit der niederländischen Grenze. Dort studierte sie Germanistik und Philosophie. Ihre ersten journalistischen Gehversuche machte sie bei der WAZ im Ruhrpott, später bei N24 in der Parlamentsredaktion in Berlin. In Berlin erlebte sie hautnah die Grenzöffnung. Nach zehn Jahren zog es sie von Berlin in die bayerische Provinz und von dort hinaus in die Welt. Dort fühlt sie sich zuhause. Den Journalismus lernte sie bei der - damals - Zeitenspiegel Reportage Schule Günter Dahl in Reutlingen und in den Redaktionen von Tageszeitungen.