Eine Wallfahrt auf zwei Rädern

Eine Wallfahrt auf zwei Rädern - eine Fahrradtour rund um den Monte Baldo am Gardasee - (c) Goerg Weindl

Wer am Gardasee mit dem Rad unterwegs ist, der bleibt am normalerweise am Seeufer und genießt die Aussicht und schöne Badeplätze. Aber weg vom See und hinauf zu den Weingärten? Klingt ungewöhnlich. Da habe ich mir anfangs auch gedacht. Aber da war diese Idee, irgendwann einmal dieses schaurig-spektakuläre Bauwerk zu besuchen. Auf der Brennerautobahn südlich von Rovereto kann man es für einen Moment von weitem erkennen. Eine Kirche, die wie festgeklebt in einer senkrechten Felswand hängt wie eine Biwakschachtel. Jedes Mal auf der Autobahn habe ich mir es vorgenommen. Nun wollte ich es endlich in die Tat umsetzen. Und zwar mit dem Rad, denn gerade das östliche Hinterland rund um den Monte Baldo ist für Radtouren ideal, vor allem wenn man auf einem E-Bike unterwegs ist und den Steigungen locker entgegen schauen kann. 

Zum Start habe ich mir den Hafen in Garda ausgesucht. Das kleine Centro Storico mit der Uferpromenade ist ideal für einen Espresso und einen Blick auf den See. Das sollte nicht der letzte sein, denn weiter oben warten noch herrliche Aussichten. Bei der Kirche Santa Maria Assunta kreuze ich die stark befahrene Gardesana Uferstraße und radle in der Via San Bernardo sanft bergauf. Nach der Residenz Corte del Bosco, was in Deutsch nur schnöde Waldhof heißen würde, folgte die Via di Risotto bis weiter oben das herrlich gelegene Dorf Costermano erreicht ist. Nun wird es flacher. Der See liegt hinter mir und ich radle vorbei an Weingärten und Olivenhainen bis Caprino Veronese. Zehn Kilometer und 250 Höhenmeter hab ich hinter mir. Eine Pause ist also verdient. Und da bietet sich der lebendige kleine Ort mit gemütlichen Caffè Bars rund um die mächtige Kirche Santa Maria Maggiore und die prachtvolle Villa Carlotti geradezu an. Italienisches Landleben ohne Massentourismus. Nach Caprino Veronese wird es zu Füßen des Monte Baldo wieder ein wenig alpiner. Mit einigen Kurven und sanften Anstiegen radle ich weiter nach Osten bis zu dem kleinen Dorf Vezzane. Dass hier wochentags kaum Verkehr ist und die Straße den Namen von Enzo Ferrari trägt, ist schon ein wenig paradox. Die Kurven werden bald enger, die Steigungen ein wenig anspruchsvoller. Die Straße schlängelt sich durch den Wald, bis nach gut fünf Kilometern der Blick frei wird auf ein keines Bergdorf. Spiazzi schaut hier von der Südseite recht gemütlich aus. Aber das täuscht, denn im Zentrum wird es schon lebendiger, steht eine Trattoria neben der anderen, funkeln dazu die Vitrinen von klerikalen Souvenirläden. Wir sind hier in einem Wallfahrtsort mit der höchst gelegenen Wallfahrtskirche in ganz Italien. Von der sieht man freilich noch nichts. Ich fahre also durch das kleine Dorf nach Norden. Unterwegs begegnen mir einige Rennradler. Vermutlich Einheimische mit entsprechendem Outfit, das auch für den Giro d`Italia stilgerecht wäre. Ein paar hundert Meter danach erreiche ich das altehrwürdige Hotel Stella Alpina auf der rechten Seite mit einem großen Parkplatz, auf dem vor allem Omnibusse parken. Hinter dem Parkplatz beginnt der Weg hinunter zur Wallfahrtskirche. Der Weg ist offiziell für Radfahrer nicht erlaubt. Man muss also schieben, kann aber auch einen Bus nehmen. Aber unter der Woche gibt es etliche Radler, die vorsichtig runterfahren und, was vor allem ein Vorteil ist, mit dem E-Bike dann entspannt wieder bergauf radeln. Etwa zehn Minuten dauert der Weg zu Fuß mit zahlreichen Kehren und 14 Stationen eines Kreuzgangs. Dann kommt man kurz nach einer Bushaltestelle zu einem kurzen Tunnel. Danach taucht endlich die Kirche auf, die sich vor den Besuchern zu verstecken scheint und tatsächlich an senkrechten Felswänden klebt. Vorbei an einem Souvenirladen und einer Bar komme ich schließlich zur Kirche, wo gerade eine Messe gehalten wird.

Angefangen hat die Geschichte von Madonna della Corona mit Einsiedlern, die dort oben ab dem zwölften Jahrhundert lebten. Im 15. Jahrhundert schließlich wurde die Basilika in den steilen Felsen hinein gebaut, was damals mit außergewöhnlichen Strapazen verbunden gewesen sein dürfte. Ab 1436 gehörte die Kirche schließlich dem Orden der Malteser, der hier eine Wallfahrtsstätte errichtete. Madonna della Corona ist heute der älteste Wallfahrtsort in Italien und vor allem natürlich wegen der spektakulären Lage besonders begehrt. Man kann also davon ausgehen, dass nicht nur fromme Wallfahrer, sondern auch neugierige Touristen diese Kirche besuchen. Der Weg von Spiazzi zur Wallfahrtskirche wurde erst vor rund 100 Jahren erbaut. Bis dahin konnte man nur auf einem mühsamen Fußweg von Brentino Belluno unten im Etschtal zur Kirche gelangen oder man ließ sich oberhalb der Kirche am Felsen über einen Lastenkorb abseilen.

Gut 20 Kilometer mit 700 Höhenmetern trennen Madonna della Corona vom Ufer des Gardasees. Das ist zwar keine übermäßig lange Tour, aber es gibt unterwegs viel zu sehen. Und bevor es wieder zurück geht, sollte man sich noch den Ausblick auf das Etschtal mit der Brennerautobahn gönnen. Die Rückfahrt wird dann zu einer sehr entspannten Angelegenheit. Da bleibt noch viel zeit für eine Pizza und den einen oder anderen Espresso.

Start: Garda
Ziel: Spiazzi
Länge: 20 km
Höhenunterschied: 700 m
Einkehrtipp: Locanda Tre Vie, Via Tre Vie, Spiazzi, www.locandatrevie.it
Kartentipp: ADFC Regionalkarte Gardasee 1:50.000

Über den Autor*Innen

Georg Weindl

Georg Weindl

Es hat schon sein Gutes, wenn man mitten in seinem Arbeitsgebiet lebt. Georg Weindl wohnt in Oberbayern und Österreich, schreibt Reisereportagen und Bücher, die sich überwiegend in den Alpen, Süddeutschland und in Italien abspielen und in zahlreichen deutschen und österreichischen Tageszeitungen und Magazinen veröffentlicht wurden und werden. Das tut er seit mehr als 30 Jahren. Die Kombination aus vertrautem Knowhow, guten Kontakten  und der Möglichkeit, immer wieder Neues zu entdecken, macht die Recherche besonders reizvoll.