Ein Kelte wird zum Luxus bekehrt

Ein Kelte wird zum Luxus bekehrt - die Antike an der Obermosel entdecken - (c) Stefanie Bisping

Zwischen der einzigen vollständig rekonstruierten römischen Herrschaftsvilla überhaupt und dem bedeutendsten römischen Kunstwerk nördlich der Alpen lässt sich an der Obermosel der Alltag in der Antike nachvollziehen. Auch Wein und Bäder helfen dabei.

Sehr weitblickend war der keltische Händler vom Stamm der Treverer, der sich um das Jahr 50 vor der Zeitenwende zum Bau eines Hauses nach römischem Vorbild entschloss. Denn er arrangierte sich früh mit den Besatzern, was seinen Erfolg als Händler begünstigte und auch seinem Wohnkomfort zugutekam. Dass er ein Einheimischer von der Oberen Mosel war und kein Römer, verrät noch über zweitausend Jahre später sein Landsitz. Denn er hatte womöglich auf dem eigenen keltischen Holzpfostenbau mit Wänden aus Lehmfachwerk eine römische Villa aus Stein erbaut. Zudem lag der Bau rund zehn Meter tiefer als das Torhaus - aussichtsverliebte Römer errichteten ihre Häuser auf dem höchsten Punkt eines Grundstücks. Dort oben verlief die Römerstraße von Metz, das Divodurum hieß, nach Trier, damals Augusta Treverorum. Beste Lage also für einen Händler, der es durch Geschäfte mit dem eine Tagesreise - vierzig Kilometer - entfernten Trier zu großem Wohlstand brachte. 

Die Raststation für Pferde an der antiken Straße ist heute ein Parkplatz. Die Villa, eigentlich ein siebeneinhalb Hektar großes landwirtschaftliches Gut mit Herrschaftshaus und Wirtschaftsgebäuden, illustriert das Leben zur Römerzeit exemplarisch. „Der Besitzer lebte römischer als die Römer, die Anlage ist nahezu modellhaft ", erklärt Gerd Schmitt, von Haus aus Geograf und fürs Marketing der Römischen Villa Borg zuständig. Dem keltischen Erbauer sollten zahlreiche Generationen folgen. In der Umgebung entstand ein Netz kleinerer Villen, in denen Handwerker und Zulieferer für die Villa Borg lebten. „Die Siedlungsspuren reichen hier bis in die Steinzeit", erzählt Schmitt. Schwere, aber fruchtbare Erde, viel Quellwasser und die geschützte Lage nahe der Mosel und der Saar machten das Land seit jeher attraktiv. Überreste aus römischer Zeit sind hier sogar in so großer Zahl zu finden, dass bei jedem Hausbau zunächst geprüft wird, was sich im Boden verbirgt.

Spa aus der Antike mit Heiß- und Kaltbad
Der Lehrer und Hobby-Archäologe Johann Schneider entdeckte die römischen Reste um die Wende zum 20. Jahrhundert und verständigte die Fachleute aus Trier. Zwei Weltkriege verhinderten, dass man sich der Sache ernsthaft annahm. Erst 1986 begann man mit Ausgrabungen und entdeckte die Überreste eines großen römischen Landguts. Lange wurde überlegt, wie mit den Funden zu verfahren sei. Ein Überbau, der die Überreste vor schnellem Verfall durch Wind und Wetter schützen würde, wurde aus optischen Gründen verworfen. Schließlich entschloss man sich, auf den Fundamenten Gebäude aufzubauen. 1997 war das Badehaus mit Umkleide, Heiß- und Kaltbad, Ruheraum und unterirdischem Heizsystem fertig. So begeistert wurde es aufgenommen, dass bis 2008 auch Tor- und Herrschaftshaus so rekonstruiert wurden, wie sie um das Jahr 200 nach Christus ausgesehen haben mögen, zum Zeitpunkt ihrer größten Ausdehnung. Sicher ist: Das Leben war gut auf den Höhen zwischen Mosel und Saar. Man ließ sich frische Austern liefern, wie Schalenfunde belegen, leitete Quellwasser aus dem Wald durch Leitungen aus Ton ins Haus, trug elegante Gewänder, die von Fibeln genannten, schmuckvollen Nadeln gehalten wurden, und lustwandelte im Innenhofgarten mit dekorativem Wasserbecken. 

Römische Kräuter im Küchengarten
Das feudale Badehaus, das sich mit Marmor und reichen Dekorationen auch optisch nicht hinter zeitgenössischen Spas verstecken muss, sowie die Römische Küche sind voll funktionsfähig. Vor allem die Bäder, in denen der Hausherr einst am Nachmittag mit Familie oder Geschäftspartnern entspannte, werden daher häufig für Filmaufnahmen genutzt. Besucher müssen dank der Rekonstruktion ihre Phantasie deutlich weniger strapazieren, als das sonst der Fall ist, wenn vom römischen Leben nur Fundamente und Fragmente geblieben sind. Durch Demonstrationen von Handwerken wie Gerben, Färben, Töpfern und Brauen, durch den Küchengarten mit römischen Kräutern, den Obstgarten mit Mispeln, Birnen und Zwetschgen sowie die Wohnräume mit dem feudalen Empfangssaal mit Mosaik und zentralem Brunnen wird der Alltag der Antike sicht- und erlebbar. In der Taverne, wo nach römischen Rezepten gekocht wird, lässt er sich sogar schmecken.  Fünfzigtausend Besucher gehen hier jedes Jahr auf Zeitreise. Wer sich von der Dauerhaftigkeit der Strukturen romantisch inspiriert fühlt, kann sich im Foyer der Villa trauen lassen. Allerdings war auch ihr nicht Ewigkeit beschieden. Um 400 nach Christus, das Römische Reich war im Niedergang begriffen, wurde die Villa aufgegeben. Einen Überfall gab es nicht, wie intakte Mauerreste ebenso beweisen wie der Umstand, dass die letzten Bewohner nur Scherben aus Ton und Glas hinterließen, intakte Gefäße also vermutlich mitnahmen. Dennoch wurden auch zweihundert Fibeln gefunden, unter ihnen eine mit einem Dackel, und mehr als dreitausend Münzen - Spuren vieler Generationen. Schließlich verfiel die Villa, ihre Reste überwucherte die Natur, samt Marmor aus Carrara und aufwendigen Mosaiken. 

Ähnlich großzügig wie die Villa Borg war die nur wenige Kilometer Hügelland entfernte Römische Villa Nennig. Allerdings befinden sich die meisten ihrer Überreste unter der Erde. Wohn- und Wirtschaftsgebäude, das fünfhundert Quadratmeter große Badehaus und eine 250 Meter lange Wandelhalle bildeten ein elegantes Landgut oberhalb der Mosel. Allein die Front des Haupthauses war 140 Meter lang. Herzstück der Villa war und ist das 160 Quadratmeter große, heute von einem Schutzbau überspannte Mosaik aus drei Millionen Steinchen, das ab dem 3. Jahrhundert die Eingangshalle schmückte. Mit drastischen Darstellungen von Gladiatoren- und Tierkämpfen ist dieser Fußboden nichts für schwache Nerven. Zugleich bietet er nahezu fotografische Einblicke in die Geschehnisse im Amphitheater: Ein ungleicher Kampf von Tiger und Wildesel, bei dem der Tiger ein wenig abwesend in die andere Richtung schaut, während das Blut des Esels unter seinen Krallen hervor spritzt, ist so detailgetreu abgebildet wie zwei Peitschen schwingende Gladiatoren, die einem Bären zusetzen. Der wiederum steht auf dem Rücken eines dritten Kämpfers, der sich auch nicht wohlfühlt.

Bessere Weine als zur Zeit der Römer
Perl ist nicht nur Standort des größten und besterhaltenen römischen Mosaiks nördlich der Alpen. Das ganz im Westen des Saarlands gelegene, durch die Mosel von Luxemburg getrennte Städtchen mit achttausend Einwohnern ist auch die einzige saarländische Weinbaugemeinde. Elbling, Burgunder, Auxerrois und Riesling gedeihen an den Hängen der Obermosel prächtig und bringen heute Weine hervor, die die der Römer übertreffen dürften - zumal diese ihre hiesigen Erzeugnisse recht sauer fanden und mit Honig und Gewürzen anreicherten.  In anderen Bereichen bemüht man sich, dem Erbe römischer Lebensart gerecht zu werden: mit Thermal- und anderen Bädern, aber auch mit Gärten und Parks zum Flanieren. Die Lage nahe der Flüsse Saar und Mosel und zwischen Trier und dem französischen Metz, die eine Handelsstraße und ihre Besiedelung begünstigte, ist heute kaum weniger reizvoll als zur Zeit der Kelten und Römer. 

Tipps für die Obermosel
Archäologiepark Römische Villa Borg: Die Anlage kann individuell oder im Rahmen von Erlebnisführungen besichtigt werden - mit einem Sklaven, Legionär oder einem römischen Immobilienmakler als Guide. Der Park ist von Februar bis November täglich außer montags geöffnet. Eintritt 6 Euro, für Kinder von 6 bis 14 Jahren 2, für Jugendliche 4 Euro. Anfang August finden die Römertage mit zahlreichen Demonstrationen römischen Lebens statt. Im Meeswald 1, 66706 Perl-Borg, www.villa-borg.de 

Römische Villa Nennig: Das Mosaik kann  von Februar  bis November täglich besichtigt werden (Eintritt 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro, bis 18 Jahre frei. Römerstr. 11, 66706 Perl-Nennig, www.kulturbesitz.de).

Schlafen wie die Römer: Das fußläufig zur Villa Nennig gelegene Fünf-Sterne-Superior-Hotel Victor's Residenz Schloss Berg in Perl-Nennig setzt mit einem von römischer Architektur inspirierten Wellness-Bereich mit Sauna, Dampfbädern und Pool, in römischem Stil eingerichteten Götter-Suiten und Anwendungen auf Basis von Weintrauben im Spa auf antikes Dolce Vita. Zum Haus gehört auch das seit 2005 kontinuierlich mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Fine-Dining-Restaurant Victor's von Christian Bau. Das DZ mit Frühstück kostet ab 172 Euro, die Götter-Suite mit Frühstück ab 390 Euro (Schlossstr. 27-29, 66706 Perl-Nennig/Mosel, www.victors.de/hotels/victor-s-residenz-hotel-schloss-berg). 

In der Nähe: Die Hauptstadt Luxemburgs wirkt mit schöner Altstadt und schicken Geschäften wie eine Miniatur-Ausgabe von Paris und liegt 24 Kilometer von Perl. Das bis zur Unterzeichnung des nach ihm benannten Abkommens vor sich hin träumende Winzerdorf Schengen ist sogar nur zehn Kilometer entfernt. Das Europäische Museum am Moselufer stellt hier die Geschichte der Grenzen Europas und die Abschaffung ihrer Kontrollpunkte innerhalb des Schengener Raums dar. Lohnend ist auch ein Abstecher zur Saarschleife, die wenige Kilometer von Perl entfernt (und von einem gut erreichbaren Aussichtspunkt sichtbar) dekorativ in der Ebene liegt.

Über den Autor*Innen

Stefanie Bisping

Stefanie Bisping

Stefanie Bisping studierte Anglistik, Germanistik und Politikwissenschaft in Münster und Reading (England). Als Reisejournalistin hat sie die Welt von Spitzbergen bis Tasmanien vermessen, Reportagen für Tageszeitungen und Magazine geschrieben und zahlreiche Bücher veröffentlicht. 2020, 2022, 2023 und 2024 wurde sie zur "Reisejournalistin des Jahres" gewählt.