Ein Mountainbike Wochenende im Tessin

Perfekte Aussicht aus dem Sessellift zur Cimetta- (c) Christine Kroll

Der Kanton Tessin liegt im Süden der Schweiz und nimmt mit 2.812 km² etwa 7% der Landesfläche der Schweiz ein. Das Tessin ist damit etwas größer als das Saarland. Der Kanton wird im Süden komplett von Italien umschlossen und nutzt Italienisch als Amtssprache. Dazu kommen über 200 Sonnentage im Jahr und guter Cappuccino für einen Hauch von Dolce Vita. Gepaart mit Schweizer Ordnung und Pünktlichkeit vereint das Tessin das Beste zweier Welten auf kleinstem Raum.

Das gemäßigte Klima und die vielen Sonnenstunden sorgen für palmengesäumte Seen und tropische Blumen in den vielen Parks und Gärten. Die Temperaturen sinken selten unter 0°C und steigen ebenso wenig über 30°C: perfekte Bedingungen für einen Aktivurlaub zu (fast) allen Jahreszeiten.

Die Landschaft des Tessins ist abwechslungsreich: Luganer See und Lago Maggiore laden zum Baden ein. Von ihren Ufern blickt man auf die hohen Gipfel der umliegenden Alpen. In den Tälern warten altertümliche Dörfer auf die Besucher und die Städte locken mit mittelalterlichen Burgen, klassizistischen Bauten und spannenden Museen.

Die Tourenmöglichkeiten sind so vielfältig wie die Landschaft. Steil die Berge hinauf oder gemütlich am Seeufer und entlang eines Flusses dahin rollen. Hier kommen die Top 4 Touren für ein langes Bike-Wochenende.

Auf Locarnos Hausberg Cimetta
Locarnos Hausberg Cimetta überragt mit 1.670 m den Lago Maggiore und die Stadt. 1.400 Höhenmeter wollen vom Seeufer überwunden werden. Wer diese nicht aus eigener Kraft bewältigen möchte, kann sich der Gondel bedienen, die einen ganz gemütlich vom Stadtteil Orselina zunächst zur Bergstation Cardada auf 1.340 m Höhe bringt. Allein die Gondel sowie die Berg- und Talstation, alle Werke des berühmten Tessiner Architekten Mario Botta, sind den Besuch wert. Aus der gläsernen Gondel sowie vom Aussichtssteg Passerelle, nur wenige Meter von der Bergstation entfernt, bietet sich bereits ein toller Blick über Locarno, Ascona und den Lago Maggiore.

Von der Cardada geht es mit dem Sessellift weiter zum Gipfel Cimetta. Die Sitze des Lifts wurden gedreht, um während der Fahrt einen perfekten Blick auf den Lago Maggiore zu ermöglichen. Und nur noch ein paar Meter von der Gipfelstation bergauf bietet sich dem Besucher ein einmaliger 360°-Blick über das Tessin. Bei guten Bedingungen kann man von hier gleichzeitig den tiefsten Punkt und den höchsten Punkt der Schweiz betrachten: den Lago Maggiore und die 4.634 m hohe Dufourspitze im Monte-Rosa-Massiv.

Die Schweiz ist vorbildlich in Sachen Fahrradtourismus. So können Mountainbiker nach einer ausführlichen Gipfelpause über den extra angelegten und perfekt ausgeschilderten Trail 397 ins Tal rauschen. Im ersten Teil gibt es für versierte Fahrer ein paar Sprünge und andere Features, die aber alle problemlos umfahren werden können. Später wird der Weg natürlicher und es geht über Stock und Stein ins Tal. Auch wenn sich der Trail stellenweise mit dem Wanderweg vereinigt, gibt es keine Konflikte. Schilder werben für Toleranz auf beiden Seiten, die hier perfekt gelebt wird.

Aussichtsberg Monte Tamaro
Mit 1.962 m Höhe ist der Monte Tamaro der höchste Gipfel der Luganer Voralpen. Bis auf die letzten 450 Höhenmeter kann auch dieser Gipfel per Gondel erreicht werden und bei der steilen Auffahrt von über 1.500 Höhenmeter sei dies dem Freizeitradler auch empfohlen. Vom Örtchen Rivera bringt eine Umlaufgondel mit kleinen bunten Gondeln Radfahrer und Wanderer zur Bergstation auf 1.530 m Höhe hinauf. Hier wird vor allem für Familien einiges geboten: Bergrestaurant, Aussichtsplattform, Abenteuerspielplatz und Sommerrodelbahn locken Besucher hierher.

Die meisten Mountainbiker halten sich nicht lange auf, schließlich fehlen noch 450 Höhenmeter bis zum Gipfel des Monte Tamaro oder “nur” 300 Höhenmeter bis zur gemütlichen Hütte Capanna Tamaro ein Stück unterhalb des Gipfels. Mit viel Kraft in den Beinen lässt sich das erste Stück der Schotterstraße noch fahren, dann werden die Steine gröber, der Weg steiler und die meisten Biker schieben ihre Räder bis zum Ziel. Die Capanna Tamaro lädt mit einer kleinen Terrasse zu Essen und Getränken ein, bevor einige hundert Meter weiter der Traileinstieg wartet. Für einen Gipfel-Abstecher ist es ratsam, die Fahrräder an der Hütte stehen zu lassen und die letzten 150 Höhenmeter zu Fuß zu bewältigen.

Auch der Trail vom Monte Tamaro ist offiziell genehmigt und als Mountainbike-Route ausgeschildert. Im ersten Teil ist der Weg steil, schottrig und ausgesetzt. Fahrfehler dürfen hier nicht passieren. Einige Wanderer, die den Weg in umgekehrter Richtung nutzen, staunen nicht schlecht, dass hier jemand mit dem Fahrrad ins Tal fährt. Und auch hier erleben wir wieder ein angenehmes Miteinander und gegenseitigen Respekt zwischen Wanderern und Radfahrern. Nach einer Weile verschwindet der Trail im Wald und wird deutlich flowiger. Auch die Absturzgefahr ist zwischen den Bäumen gebannt und es geht flott dahin. Nach endlosen 1.400 Tiefenmetern erreicht man wieder das Tal im kleinen Örtchen Torricella-Taverne.

Einziger Wermutstropfen der ansonsten tollen Tour: Torricella-Taverne liegt etwa zehn Kilometer südlich der Station der Tamaro-Bergbahn. Man muss also entweder zehn Kilometer auf der ausgeschilderten Radroute leicht bergauf zum Ausgangspunkt radeln oder mit dem parallel verlaufenden Zug zurück nach Rivera fahren.

Panoramatour zwischen Monte Cucco und Monte Bar
Der Gipfelgrat zwischen Monte Cucco und Monte Bar verläuft zum großen Teil auf der Grenzlinie zwischen der Schweiz und Italien. Direkt unterhalb verläuft ein Panoramaweg, der seinesgleichen sucht. Der Blick über den Luganer See und die Gipfel der großen 4.000er der Schweizer Alpen in der Ferne lassen einen immer wieder innehalten.

Das Panorama will allerdings verdient werden. Vom Talort Tesserete sind es 1.000 Höhenmeter bis zum Rifugio San Lucio unterhalb des Monte Cucco, wo der Höhenweg beginnt. Nach einer wohlverdienten Panorama-Pause geht es auf dem Höhenweg in Richtung Monte Bar. In einem anspruchsvollen Auf und Ab zieht sich der Weg acht Kilometer unterhalb der Bergflanke entlang. Wer einen gemütlichen Höhenweg erwartet, wird enttäuscht: Die steilen An- und Abstiege summieren sich am Ende auf weitere 300 Höhenmeter und zehren an den Kräften. Der Weg ist aufgrund seiner tollen Aussicht sehr beliebt und wird sowohl von Wanderern als auch Mountainbikern in beide Richtungen genutzt. Auch wenn es an Schlüsselstellen schon einmal zu kleinen Staus kommt, herrscht auch hier wieder ein respektvolles Miteinander, bei dem jeder den anderen seines Weges ziehen lässt.

Vom schönen Picknickplatz Piandanazzo, wo der Höhenweg endet, führt schließlich ein schöner Waldpfad hinab ins Tal und zurück zum Ausgangspunkt nach Tesserete. Unterwegs laden weitere Aussichtspunkte zur Pause ein und Ziegenherden zwingen zum Anhalten. Alles in allem eine wunderschöne, abwechslungsreiche, aber kräftezehrende Tour.

Ins Versacza-Tal
Nachdem er etliche Kilometer von seiner Quelle durch ein malerisches Tal zurückgelegt hat, fließt der Fluss Versacza bei Locarno in den Lago Maggiore. Das Versacza-Tal mit dem eisblauen Fluss ist ein Touristenmagnet und stellenweise dementsprechend überlaufen, ein Besuch lohnt sich aber in jedem Fall und es gibt auch immer noch einsame Plätze am Fluss.

Vom See führt eine schmale Straße parallel zum Fluss in das Tal hinauf. Nachdem man die riesige Staumauer mit dem Lago di Vogorno passiert hat, wird das Tal enger und wilder. Kurze Zeit später erreicht man die “Ponte dei Salti” bei Lavertezzo. Die alte Römerbrücke aus dem Mittelalter ist in den letzten Jahren zu einem Instagram-Hotspot geworden und so berühmt, dass weit und breit kein Parkplatz zu finden ist. Und ehrlicherweise muss man auch sagen, dass die Brücke zwar wirklich schön, aber in der Realität nur halb so beeindruckend wie auf den berühmten Fotos ist.

Nach etwa 20 km erreicht man das kleine Örtchen Brione in der Mitte des Tals. Von hier führt die ausgeschilderte Radroute 399 “Alta Versacza Bike” weiter in das Tal hinein. Die Strecke verläuft praktisch durchgängig parallel zum Fluss und quert ihn mehrfach über Stein- oder Drahtseilbrücken. Asphalt- und Forstwege wechseln sich mit kurzen Trailabschnitten ab und machen die Route sehr abwechslungsreich. Da Radfahrer und Fußgänger über den Großteil der Strecke unterschiedliche Wege nutzen, ist unterwegs relativ wenig los und es finden sich immer wieder wunderschöne einsame Stellen am Flussufer. Nach etwa neun Kilometern und 300 Höhenmetern ist in Sonogno das Ende des Tals erreicht. Der Ortskern ist als „schützenswertes Ortsbild“ klassifiziert und man fühlt sich in den schmalen Gassen um Jahrhunderte zurückversetzt. Handwerker bieten ihre nach alter Technik produzierten Waren an und man kann ihnen in den Werkstätten über die Schulter schauen. Wer mag, kann das Fahrrad in Sonogno stehen lassen und sich zu Fuß noch weiter in das Tal hineinwagen, das ab hier steiler ansteigt.

Der Rückweg nach Brione verläuft dann auf dem gleichen Weg flussabwärts. So ist man schnell wieder nach Brione zurückgerollt.

Unterkünfte
Die Auswahl an Unterkünften im Tessin ist vielfältig. Vom Campingplatz über Pensionen, Ferien auf dem Bauernhof oder luxuriösen Wellnesshotels findet sich für jedes Budget die passende Unterkunft. Dabei hat man die Wahl, ob es ein Campingplatz oder ein Hotel am Seeufer mit Badestrand oder eine Unterkunft mit Weitblick am Berg sein soll.

Weitere Informationen
Tessin - Unterkünfte im Tessin - Cardada - Monte Tamaro - MTB-Tourenplaner

Über den Autor*Innen

Christine Kroll

Mit einer Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau und anschließendem Studium der Tourismuswirtschaft hat Christine nach dem Abitur ihr Hobby Reisen zum Beruf gemacht. Seit über 20 Jahren arbeitet sie als Produktmanagerin bei verschiedenen Reiseveranstaltern. In ihrer Freizeit ist Christine am liebsten draußen. Je nach Saison findet man sie zu Fuß, mit dem Mountainbike oder auf (Touren-)Ski in den Bergen. Egal ob in den heimischen Alpen oder auf einer ihrer Reisen in Europa und der Welt, draußen aktiv zu sein gehört für Christine immer dazu.