
Eine gemütliche drei Flüsse-Radtour führt vorbei am Donaudurchbruch und dem Abensberger Hundertwasserturm von Regensburg nach Passau. Das Städtchen Landau überrascht mit einem Naturwunder – und mit Lisa
Manchmal sind die Zwischenstopps einer Radtour völlig unerwartete Höhepunkte. Der Halt bei Lisar beispielsweise. Ihre Augen glänzen, ihr Lächeln strahlt Energie und Lebenslust aus - und das gut 1000 Jahr nach ihrem Tod. Wer auf der 244 Kilometer lange „Niederbayern-Radtour“ unterwegs ist, sollte auf einen Besuch bei der Frau aus der Jungsteinzeit nicht verzichten. Das verblüffend lebensechte Modell ist wie auch das Landauer Museum für Steinzeit und Gegenwart ein Glanzpunkt der Vier-Etappen-Strecke von Regensburg nach Passau.
Entlang an der Donau, dem Inn und der Isar führt die Tour quer durch Niederbayern. Sie passiert das Hopfenland Hallertau, das Kloster Weltenburg mit seinem berühmten Biergarten sowie den herrlich verspielten Hundertwasser-Turm in Abensberg. Wer will, kann die Reise in der Studentenstadt Passau sogar auf einer Flusskreuzfahrt in Richtung Schwarzes Meer fortsetzen.
Die meisten Radlern allerdings wollen neben den Sehenswürdigkeiten und Städten vor allem die Natur genießen. Die so genannte „Niederbayerntour“ ist dafür ideal. Sie führt zu einem großen Teil an Flüssen entlang und weist daher zudem kaum nennenswerte Steigungen auf. Im Hinterland dagegen wird die Landschaft immer wieder erstaunlich hügelig.
Ein Problem, zügig voranzukommen, sind allenfalls die Verlockungen am Wegesrand. Vor allem die Freunde deftiger Küche werden bisweilen nur schwer widerstehen können. Schon 14 Kilometer nach dem Start in Regensburg beispielsweise ist das Mattinger Zunftstüberl mit seiner rustikalen Fassade und dem kleinen Biergarten ein absolutes Muss. Es ist ein Wirtshaus, in dem die Zeit stehen geblieben ist. Der schlichte Gastraum mit seinen winzigen Fenstern und dem jahrzehntealten Holzboden fasst gerade einmal 30 Gäste und wird von einem Eisenofen beheizt. Alles erinnert ein wenig an alte Zeiten, und so überrascht es nicht, dass auf der Speisekarte neben den üblichen Biergartengerichten auch Brotzeiten nach altböhmischer Art stehen: Sauer eingelegte Knacker beispielsweise oder der „Hermelin“, ein eingelegter Camembert im Glas.
In Kelheim müssen sich die Radler entscheiden, ob sie bis zum Biergarten des Klosters weiterfahren oder das Bike auf eines der Ausflugsboote packen und den Donaudurchbruch vom Wasser aus genießen. Schöner ist es, den Durchbruch vom Boot aus zu betrachten. Die teils senkrechten Felswände, durch die das Wasser der Donau schießt, sind spektakulär. Im Biergarten der Benediktinerabtei angekommen, lohnt es sich, nicht nur einen Blick auf das vorzügliche dunkle Bockbier in den Krügen zu werfen, sondern auch der Klosterkirche St. Georg einen Besuch abzustatten. Sie wurde von den Brüdern Asam im spätbarocken Stil verziert.
Tags darauf sollten die Radler in Bad Gögging nicht allzu spät aufbrechen. Immerhin stehen auch am zweiten Tag des Niederbayern-Radweges 60 Kilometer auf dem Plan. Doch so richtig vorwärts kommt man auf der zweiten Etappe ohnehin erst nach dem Verlassen von Abensberg, einem ersten Zwischenziel. Der Ort mag verschlafen wirken, doch am Hundertwasser-Turm radelt niemand vorbei, ohne zumindest ein Foto zu schießen. Die goldene Kuppel des gut 34 Meter hohen, phantasievoll mit Rund-Erkern und venezianisch anmutenden Bögen errichteten Turms überstrahlt die ganze Ortschaft. Erst nach dem Tod des Künstlers Friedensreich Hundertwasser wurde das Kunstobjekt auf dem Gelände der Kuchlbauer-Brauerei fertiggestellt. Für den Tagesplan der Niederbayern-Radler ist das Bauwerk, an dem man sich ob seiner wunderbaren Verspieltheit kaum sattsehen kann, freilich ein Fiasko. Zunächst lockt die Turmbesichtigung, und dann auch noch der zünftige Biergarten, in dem er steht.
Endlich in Landshut angekommen, erreichen die Radler auch die Isar. Mit einer der Stadtführungen, die vom Landshuter Fremdenverkehrsamt angeboten werden, bekommen die Radler den schnellsten und kompaktesten Überblick. Beeindruckend ist aber nicht nur die „Altstadt“, ein breiter Straßenzug mit prächtigen Fassaden, sondern auch die Burg Trausnitz, der höchste Ziegelkirchturm der Welt oder ein italienischer Palazzo, der erste Renaissancepalast nördlich der Alpen.
Vorbei an der Staustufe, dem Maxwehr, führt ein schmaler Radweg am nächsten Morgen direkt an der Isar entlang hinaus bis Landau. Bereits kurz vor dem Städtchen fasziniert ein Naturdenkmal: Der „wachsende Felsen von Usterling“. Fast 40 Meter lang und beeindruckende fünf Meter hoch ist diese schmale Rinne, durch die kalkhaltiges Grundwasser läuft. Die Kalkkrusten lassen die Rinne, deren Alter auf mehrere tausend Jahre geschätzt wird, immer weiter in die Höhe wachsen.
Der einzig wirklich anstrengende Aufstieg der Niederbayern-Radtour ist der in die Altstadt von Landau. „Das ist für Radler wirklich eine Herausforderung“ , sagt auch Thomas Lorenz. Der zweite Bürgermeister der Stadt rät trotzdem, die Mühen auf sich zu nehmen: „Die Aussicht vom Dach des Museums ist phänomenal, und das Museum wirklich etwas ganz Besonderes.“ In anderen Fällen dürfen Verheißungen von Stadtoberen gerne mit Skepsis betrachtet werden, Lorenz aber hat nicht zu viel versprochen. Die Aussicht vom so genannten Kastenhof ist tatsächlich einzigartig: Wie in einer Panorama-Großprojektion liegt das weite Umland der Isar vor den Besuchern. Der Blick reicht bis Deggendorf und in den Bayerischen Wald – und zeigt den Radlern, in welch harmonischer Landschaft sie unterwegs sind.
Schon dafür hat sich die Mühe gelohnt, den Kastenhof, das heutige moderne Museum für Steinzeit und Gegenwart, zu besichtigen. Die Museumspädagogin Anja Hobmaier hat zudem einen besonderen Charme in diese Ausstellung gezaubert, indem sie nicht nur Relikte aus der Steinzeit zeigt. Sondern sie demonstriert auch mit modernen Gegenstücken wie den Kobalt-Bestandteilen eines Handys, wie abhängig wir auch heute noch sind von Gesteinen. Spannend, nachvollziehbar, und vor allem für Kinder geeignet, denn es gibt viel anzufassen.
Selbst Lisar darf berührt werden. Das Modell der lächelnden Frau aus der Jungsteinzeit, deren Grab nahe von Landau gefunden wurde, wirkt selbst aus wenigen Zentimetern Entfernung faszinierend lebensecht. Jedes Fältchen im Gesicht, auch die gebräunte Haut scheint wie die eines lebenden Menschen. Würde sie plötzlich den Kopf drehen oder losmarschieren, wäre niemanden wirklich überrascht. Vermutlich würde ihr erster Weg durch eine Tür auf die gegenüberliegende Seite des Raumes führen: Direkt zur Treppe der Evolution, dort wo auf der obersten Plattform ihr Gegenstück der Entwicklung von der Steinzeit zum technischen Zeitalter und der Zukunft steht: Ein Roboter in Menschenform, der legendäre C-3PO aus den StarWars-Filmen. Vor allem Fans sind begeistert, denn auf einer Wade hat Anthony Daniels persönlich unterschrieben, der britische Schauspieler, der in den Star Wars-Filmen die Figur des C-3PO verkörperte.
Tags darauf steht die letzte Etappe nach Passau an. Es wäre zwar reizvoll, an der Isar weiterzufahren und zu beobachten, wie sie sich mit der Donau vereinigt. Da die Strecke aber so konzipiert wurde, dass sie eben nicht nur entlang der Flüsse führen sollte, nehmen die Radler quer übers Land Kurs auf Vilshofen an der Donau. Die Strecke führt vorbei an Gurkenfeldern, großen Tomatenpantagen, aber auch erstaunlich vielen Feldern, die großflächig mit Photovoltaikanlagen zur Stromgewinnung genutzt werden. Wer bei Grafenmühl auf der linken Seite bunt bemalte Bäume, Wurzeln oder eine farbenfroh gestaltete Felswand erblickt, darf gerne klingeln. Der Künstler Wilhelm Bichlmeier, ein einstiger Jurist, kreiert hier ein kleines Paradies in seinem Garten und freut sich über interessierte Gäste.
Ab Vilshofen geht es an der nun schon recht breiten Donau entlang direkt nach Passau. Die Spitze der Altstadtinsel, wo Inn und Donau zusammenfließen, ist ein passender Platz, noch einmal zurückzublicken auf die gut 244 Kilometer lange Radtour durch Niederbayern. Auf eine gut gewählte Streckenführung, von der auch das bäuerlich geprägte Hinterland fernab der Flüsse im Gedächtnis bleibt und auf Städte wie eben Landau, die überraschende Glanzpunkte setzten.
Kurz notiert
An- und Abreise
Hin: Mit dem Zug bis Regensburg.
Zurück: Mit dem Zug in allenfalls eineinhalb Stunden von Passau nach Regensburg.
Etappen:
Tag 1: Regensburg – Bad Gögging ca. 60 Kilometer.
Tag 2 Bad Gögging – Landshut ca. 60 km.
Tag 3: Landshut – Landau ca. 50 km. Tag 4 Landau – Passau 74 km.
Übernachtungsmöglichkeiten
Regensburg
Hotel und Restaurant Wiendl, ab 79 Euro Ü/F für 2 Personen hotelwiendl.de
Bad Gögging
Pension Marcus, ab 64 Euro Ü/F für 2 Personen Pension-Marcus.de
Landshut
Michel Hotel Landshut: ab 76 Ü/F für zwei Personen michel-hotels.de/Landshut
Landau
Aparthotel Landau an der Isar, ab 69 Euro Ü für 2 Personen, aparthotel-landau-an-der-isar.hotel-mix.de
35 Radminuten außerhalb, in der Nähe des Vilstal-Radweges: Vilstaler Hof. Ab 98 Eurp, Ü/F für 2 Personen, vilstalerhof.de
Spezialtipp: Für alle (älteren) Rockfans ist die Kleinkunstbühne und Rockkneipe Haus 111 elf Kilometer außerhalb Landaus eine Zeitreise in die Jugend. Auftritte von Coverbands und Gartenfeste locken Gäste von weit her. www.haus111.de
Viele Informationen zur Niederbayern-Tour sind auf der Webseite des Tourismusverbandes Ostbayern zu finden, auch Karten, Fotos und die GPS-Daten finden Sie hier...
Über den Autor*Innen

Gerhard von Kapff
Gerhard von Kapff ist Reisejournalist, bis 2020 Sportredakteur einer Tageszeitung, Buchautor, Vortragsreferent und manchmal auch Abenteurer. Bei seinen Touren interessiert ihn, „wie weit ich als ganz normaler Familienvater komme, wenn ich mir Ziele setze, die ich mir eigentlich gar nicht zutraue?“ Antworten fand er bei einem Fatbike-Ride durch die Namibwüste an den Atlantik, mit dem Rad auf dem Leh-Manali-Highway, durch Jordanien, Japan und Madagaskar.