Streetstepper – Laufen auf Rädern

Streetstepper – Laufen auf Rädern - (c) Maren Recken

Nein, der Rahmen ist keine Fehlkonstruktion eines Fahrrads, bei der das Rohr für die Sattelstütze vergessen wurde. Das gehört so. Das Ding mit dem sattellosen Rahmen, den Brems- und Schalthebeln an den Lenkergriffen sowie den fußlangen Pedalen nennt sich Streetstepper und ist dafür gedacht, sich laufend auf zwei Rädern fortzubewegen: rückenschonend bei Problemen mit der gebeugten Sitzhaltung auf dem Fahrrad, schmerzfrei für den Allerwertesten und andere kostbare Weichteile. Gefahren wird aufrecht, das Gewicht lastet ausschließlich auf den Füßen. Was einer Kombination aus der Köperhaltung und der Fortbewegungsweise entspricht, die der Homo Sapiens in vielen Jahren Evolutionsgeschichte als die für ihn passendste adaptiert hat.

Im Test, während einer 11 Kilometer Rundtour mit leichten Steigungen und Abfahrten auf der 26 Zoll Mountainbike Version des Streetsteppers, mit 30-Gang-Kettenschaltung, erweist sich die Aussage des Entwicklers dieses Sportgeräts: „jeder, der Rad fahren kann, kann sofort aufsteigen und losfahren“, zwar als richtig, vom Bewegungsablauf her ist es anfangs trotzdem etwas ungewohnt und vor allem bergauf leicht wackelig. Unsicher, welcher Gang der Beste ist, ein kleiner, der hohe Trittfrequenzen oder ein größerer, der mehr Kraft in den Beinen braucht, schlingere ich den Berg hinauf, als hätte ich schon ordentlich einen gebechert. Dass das nicht auf Anhieb ein wirklich eleganter Anblick ist, hat zwei Gründe. Durch den fehlenden Sattel, fehlt auch ein dritter Fixpunkt zur Gleichgewichtsstabilisierung, der zusätzlich zu Lenker und Pedalen weitere Stabilität bringt. Zum anderen kommt es daher, dass die beiden Pedale, die nicht miteinander verbunden sind und jeweils mit einer eigenen Kette laufen, jedes für sich aktiv angehoben und nach unten gedrückt werden müssen. Das ist für Radler, die gewohnt sind, dass sich das eine Pedal synchron mit dreht, wenn das andere bewegt wird, neu und fordert eine Koordination der Füße.  

Der Lenker, an dem Schalthebel und Bremsen sitzen, soll beim Streetsteppen unverkrampft gehalten werden. Bestenfalls, dem Wiegetritt auf dem Fahrrad vergleichbar, gegenläufig zum Auf und Ab der Fußbewegung locker hin und her bewegt werden. Das ist vor allem bergauf zunächst sehr ungewohnt. Auf der Ebene kommen der richtige Bewegungsablauf und damit der Flow dafür umso schneller. Das fühlt sich gut an. Bergab macht es Dank des tiefen Schwerpunkts des Streetsteppers von Anfang an richtig Spaß. Die Pedale sind parallel am tiefsten Punkt, der Stand sicher, die lockere Lenkerhaltung kommt von alleine und die Geschwindigkeit erhöht sich fast unbemerkt auf 40 km/h.

Der Streetstepper ist das Gemeinschaftsprodukt eines österreichischen Maschinenbauers, der wegen Rückenproblemen das Mountainbiken aufgegeben und den ersten Prototypen konstruiert hat, und der Schorndorfer Radschmiede Hot Chili, die die beiden verfügbaren Modelle in Kleinserie herstellt. Die Aktion Gesunder Rücken (AGR) hat dem Sportgerät, mit dem man auf Rädern laufen kann, ihr Gütesiegel für eine besonders rückengerechte Konstruktion verliehen. Erhältlich ist der Streetstepper in zwei kürzlich modifizierten Versionen. Neben einem farblichen Designupdate wurde die neue Mountainbike-Version für Bergfahrer MTS 27 mit 27,5 Zoll Laufrädern von Vuelta versehen, während der RS 20 auf 20 Zoll Laufrädern mit Big-Apple Reifen von Schwalbe daher kommt. Der Rahmen ist in beiden Fällen ein one size fits all 7005/7020 Aluminiumrahmen. Was an Fahrposition angepasst werden muss, wird über die bei beiden Modellen in Höhe und Position verstellbaren Lenker individuell eingestellt. Die mit Scheibenbremsen ausgestattete Mountainbike-Version ist Wald- und Forstwegtauglich und schafft auch leichte Trails. Während der mit V-Brakes versehene RS 20 für den täglichen Weg zur Arbeit, ausgedehnte Touren oder intensive Trainingseinheiten gedacht ist. Alpenüberquerungen hat der Entwickler Martin Buchberger mit beiden Modellen bereits gemacht.

Was die Streetstepper neben dem fehlenden Sattel vom klassischen Fahrrad unterscheidet, sind die voneinander unabhängigen Stepphebel, deren Tritthöhe nicht konstruktionsbedingt vorgegeben ist. Das Vario-Getriebe wirkt zusätzlich zur Kettenschaltung und ergibt eine größere Übersetzungsbandbreite als bei Fahrrädern mit gleicher Kettenschaltung. Im Leerlauf bleiben beide Stepphebel in der untersten Position. Rückwärts blockiert das Getriebe, was das Losfahren am Berg sehr leicht macht.  

Fazit: Ein interessante, nicht ganz billige, Alternative zum Fahrrad.

Weitere Informationen
Voraussichtlicher Preis für die überarbeiteten Modelle
RS20: 2.490 €
MTS27: 3.690 €
Weiter Infos und Teststandorte: www.streetstepper.com

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Über den Autor*Innen

Maren Recken

Maren Recken ist als freie Journalistin mit Videokamera, Fotoapparat und Notizblock unterwegs. Häufig in Italien, am liebsten im Gespräch mit den Menschen vor Ort; auf der Suche nach einer besonderen Story und einem authentischen Reiseziel. Sie veröffentlicht online und in verschiedenen Tageszeitungen, dreht Videos und erstellt Imagefilme. Während und nach ihrem Germanistikstudium hat sie mit verschiedenen privaten Radio- und Fernsehsendern zusammengearbeitet. Bei La Nazione in Florenz hat sie in der Onlineredaktion erlebt, wie Journalismus in Italien funktioniert.